Von den Klowänden (Blogs) des Internet (4): Wiener Opernball als Volkskundeseminar?
Doris Knecht, Kolumnistin des Wiener Kuriers wie des Falters, Fachfrau für Spießerfragen (vgl. das Interview im Videoblog von Robert Misik zum Thema "Spießer") trieb sich früher in Punkerkreisen herum, lässt sich angesichts des heute Abend stattfindenden Wiener Opernballs auf bezeichnende Weise, nämlich implizit despektierlich, über die akademische Disziplin "Volkskunde" in ihrer KurierKolumne "Unser Lieblingsgast" vom 17.1.2008 aus:
"Der Fasching ist kurz, halten wir uns ran. Heute wird, heißt es, Richard Lugner seinen heurigen Opernballgast bekannt geben (...)
Richard Lugner ist aus freien Stücken eine öffentliche Figur ohne Geheimnisse, die für ihre Prominenz selbst den Preis der Lächerlichkeit zu bezahlen bereit ist. Dennoch behält er sein Kunden-Recht auf diskrete und höfliche Geschäftsabwicklung. Insbesondere im Zusammenhang mit einer Veranstaltung, die sich dermaßen feudal und staatstragend geriert. Es mag schon sein, dass Lugner nicht der Lieblingsgast der Opernball-Organisation ist, aber er ist, samt seinem Miet-Gefolge, einer der Lieblingsgäste der Opernballfernseher, und die tragen schließlich mit ihrem Interesse auch tüchtig zum Erfolg des sog. Staatsballes bei.
Egal. Für meinereine, deren Tanzkünste sich auf ein paar Zuckungen aus dem Pulp-Fiction-Fundus beschränken, ist der Opernball alljährlich ein lustiges Volkskunde-Seminar. Etwa die schwarzweißen Formationswalzungen zu Beginn: Wie wird dieses Ritual dereinst von Volkskundlern der Zukunft interpretiert werden, wenn die ORF-Aufzeichnungen aus der Müllhalde des 21. Jahrhunderts geborgen werden? Und was werden sie von Lugner halten?"
Und vor allem was werden Sie von jenen Intellektuellen halten, die davon leben, sich über den Trash zu erregen, sich lustig zu machen und sich damit im Kampf um das symbolische Kapital einen Vorsprung zu sichern. Da beschleicht unsereins jedenfalls das saudumme Gefühl, dass Lugner, Mausi und das dazugehörige Lugner- wie Opernball-Bashing Teil des gleichen Problems sind. Das mal so dahin geschrieben von einem, der auch nicht weiß, was die künftigen Volkskundler herausfinden werden, der aber so eine Ahnung hat, dass man auf der einen Seite mit seinen Untersuchungsgegenständen im Ansehen sinken kann, andererseits haben dieselben jedoch den Vorteil, dass sie selbst zu einer Art "Moving target" werden (können). Und dann sind eben nicht mehr nur Lugner, Mausi und die "Formationswalzungen" das Thema, sondern eben auch diejenigen, die an der Sortiermaschine des Mülls die Weichen stellen wollen. Und damit werte Kollegen Musner und Maderthaner, beschreiben wir eine soziale Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Klassenfraktionen und das ist doch allemal ein Ausweg aus dem Kulturalismus-Dilemma. Wenn auch einer, der so nicht gewünscht ist?
PS. Volkskunde war in den letzten Jahrzehnten zumeist eine Ethnographie des Popularen (vgl. Bernd Jürgen Warneken), aber die Eintrittspreise zum Opernball sind eines bestimmt nicht: Popular. Aber die Vorstellung, denselben als "gesunkenes Kulturgut" zu analysieren, gefällt mir dennoch außerordentlich gut.
"Der Fasching ist kurz, halten wir uns ran. Heute wird, heißt es, Richard Lugner seinen heurigen Opernballgast bekannt geben (...)
Richard Lugner ist aus freien Stücken eine öffentliche Figur ohne Geheimnisse, die für ihre Prominenz selbst den Preis der Lächerlichkeit zu bezahlen bereit ist. Dennoch behält er sein Kunden-Recht auf diskrete und höfliche Geschäftsabwicklung. Insbesondere im Zusammenhang mit einer Veranstaltung, die sich dermaßen feudal und staatstragend geriert. Es mag schon sein, dass Lugner nicht der Lieblingsgast der Opernball-Organisation ist, aber er ist, samt seinem Miet-Gefolge, einer der Lieblingsgäste der Opernballfernseher, und die tragen schließlich mit ihrem Interesse auch tüchtig zum Erfolg des sog. Staatsballes bei.
Egal. Für meinereine, deren Tanzkünste sich auf ein paar Zuckungen aus dem Pulp-Fiction-Fundus beschränken, ist der Opernball alljährlich ein lustiges Volkskunde-Seminar. Etwa die schwarzweißen Formationswalzungen zu Beginn: Wie wird dieses Ritual dereinst von Volkskundlern der Zukunft interpretiert werden, wenn die ORF-Aufzeichnungen aus der Müllhalde des 21. Jahrhunderts geborgen werden? Und was werden sie von Lugner halten?"
Und vor allem was werden Sie von jenen Intellektuellen halten, die davon leben, sich über den Trash zu erregen, sich lustig zu machen und sich damit im Kampf um das symbolische Kapital einen Vorsprung zu sichern. Da beschleicht unsereins jedenfalls das saudumme Gefühl, dass Lugner, Mausi und das dazugehörige Lugner- wie Opernball-Bashing Teil des gleichen Problems sind. Das mal so dahin geschrieben von einem, der auch nicht weiß, was die künftigen Volkskundler herausfinden werden, der aber so eine Ahnung hat, dass man auf der einen Seite mit seinen Untersuchungsgegenständen im Ansehen sinken kann, andererseits haben dieselben jedoch den Vorteil, dass sie selbst zu einer Art "Moving target" werden (können). Und dann sind eben nicht mehr nur Lugner, Mausi und die "Formationswalzungen" das Thema, sondern eben auch diejenigen, die an der Sortiermaschine des Mülls die Weichen stellen wollen. Und damit werte Kollegen Musner und Maderthaner, beschreiben wir eine soziale Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Klassenfraktionen und das ist doch allemal ein Ausweg aus dem Kulturalismus-Dilemma. Wenn auch einer, der so nicht gewünscht ist?
PS. Volkskunde war in den letzten Jahrzehnten zumeist eine Ethnographie des Popularen (vgl. Bernd Jürgen Warneken), aber die Eintrittspreise zum Opernball sind eines bestimmt nicht: Popular. Aber die Vorstellung, denselben als "gesunkenes Kulturgut" zu analysieren, gefällt mir dennoch außerordentlich gut.
kschoenberger - 31. Jan, 19:55