Burkhard Spinnen: Aufstand des Analogen
Die in die Gänge gekommene Quasi-Verstaatlichung der Banken wird uns in den Feuilletons derzeit als Revolution verkauft. Das ist natürlich Quatsch.
"Tun wir einmal so als ob. Als ob demnächst überall Island wäre und alle Banken verstaatlicht würden. Tun wir einmal so, um eine Frage zu beantworten, die mich momentan brennend interessiert: Wäre das eine Revolution?
Ich hatte nie geglaubt, noch eine zu erleben. (...)
Das habe ich geglaubt; aber jetzt kommt es mir vor, als könnte doch noch eine Revolution ausbrechen. Und diesmal wäre ich hochgradig betroffen - doch leider auch völlig im Unklaren darüber, was geschieht und wo die Fronten verlaufen.
Dabei wäre es doch eine Revolution, die Banken zu verstaatlichen, nicht wahr? Das ist sogar beste Revolutionstradition; alle Entmachtungen aristokratischer oder bürgerlicher Herrschaft zogen bisher eine Staatskontrolle über die Finanzen nach sich. Wer Revolution macht, besetzt den Präsidentenpalast, den Rundfunk und die Staatsbank, und wenn er klug ist, tut er das in umgekehrter Reihenfolge."
Marx und Engels haben zwar auch von Verstaatlichung gesprochen, aber eben auch von Vergesellschaftung . Und das ist was anderes als der Links-Etatismus der Jusos oder Marxismus-Leninismus.
Dass nun gegenwärtig nichts anderes als der alte Keynesianismus als Allheilmittel herhalten muss, sollte ein Hinweis sein, dass der selbe nur als Popanz des Neo-Liberalismus zu einer Pseudo-System-Alternative hochstilisiert wurde. So kann man jetzt von Revolution schwadronieren, wobei es sich doch nur um zwei Optionen derselben Medaille handelt (Eine abwägende Einschätzung liefert uns Rainer Rilling), der auch schon recht früh vernünftige Sachen über die "Informationsgesellschaft" bzw. die Politik im Internet und Cyberdemokratie geschrieben hat.
In der Welt hat sich heute der Schriftsteller Burkhard Spinnen zu Wort gemeldet, der mal 1990 ein nettes Büchlein über das "Zeitalter der Aufklebung: Versuch zur Schriftkultur der Gegenwart" veröffentlicht hat, in dem es u.a. um Schriftträger und Beschriftung (Plakat, Aufkleber und beschriftete Menschen" ging.
B. Spinnen, von dem auch das obige Zitat stammt, fordert in der Welt (13.10.2008) die Verhaftung der Banken und führt dann als bekennender Rotarier auch noch sein Unbehagen gegen die Digitalisierung vor (also doch nur ein technisches Problem?):
"Also: keine Revolution? Sondern nur eine von der Panik stimulierte "Regulierungsaktion"? Keine Kurskorrektur, sondern eine Notbremse?
Nein! Ich bestehe jetzt auf einer Revolution! Und wenn alle traditionellen Kriterien fehlen, dann sehe ich das als Beweis dafür, dass es tatsächlich eine Revolution ist. "Die erste Erscheinung des Neuen ist der Schrecken", sagt Heiner Müller, ein Experte des Untergangs. Und Schrecken ist jetzt wahrlich genug vorhanden; also muss es auch Neues geben.
Und diese Neue Revolution - ich wünschte, es wäre diese: Ein Aufstand des Analogen gegen das Virtuelle. Ich wünschte mir eine Verhaftung der Banken als Aufforderung, die Haftung zwischen Geld und Wert wiederherzustellen. Ich wünschte mir eine Entmachtung der Börse, ein Ende der Digitalisierung der Ökonomie als Nivellierung menschlicher Leistung und Energie. Spekulieren hieß einmal, die Dinge als sie selbst erkennen; jetzt heißt es: zocken. Dagegen wünschte ich mir eine Revolution. Einen Aufstand gegen ein Denken und eine Sprache, die den Kontakt zu ihren Gegenständen längst verloren haben.
Ich weiß, man organisiert die moderne Weltwirtschaft nicht, indem man Beutel mit Dukaten und Pfennigen per Schiff verfrachtet. Aber wir alle wissen jetzt, dass man sie mit Versprechungen auf Erwartungen und gestückelten Forderungen und Zertifikaten und Leerverkäufen in Grund und Boden ruiniert. Die Daxokratie hat versagt. Ihre Sprache hat verführt. Ein Aufstand dagegen tut Not."
Rotarierer aller Länder ...
Wenn's denn der Bewusstseinsbildung dient ... aber nicht nur die Geschichte wiederholt sich als Tragödie und Farce, sondern auch ihre ideologischen Abkürzungen ...
Hier noch etwas weitergehende Gedanken, die wahrscheinlich die Befürchtung unseres Rotariers nur beflügeln würden ...
"Tun wir einmal so als ob. Als ob demnächst überall Island wäre und alle Banken verstaatlicht würden. Tun wir einmal so, um eine Frage zu beantworten, die mich momentan brennend interessiert: Wäre das eine Revolution?
Ich hatte nie geglaubt, noch eine zu erleben. (...)
Das habe ich geglaubt; aber jetzt kommt es mir vor, als könnte doch noch eine Revolution ausbrechen. Und diesmal wäre ich hochgradig betroffen - doch leider auch völlig im Unklaren darüber, was geschieht und wo die Fronten verlaufen.
Dabei wäre es doch eine Revolution, die Banken zu verstaatlichen, nicht wahr? Das ist sogar beste Revolutionstradition; alle Entmachtungen aristokratischer oder bürgerlicher Herrschaft zogen bisher eine Staatskontrolle über die Finanzen nach sich. Wer Revolution macht, besetzt den Präsidentenpalast, den Rundfunk und die Staatsbank, und wenn er klug ist, tut er das in umgekehrter Reihenfolge."
Marx und Engels haben zwar auch von Verstaatlichung gesprochen, aber eben auch von Vergesellschaftung . Und das ist was anderes als der Links-Etatismus der Jusos oder Marxismus-Leninismus.
Dass nun gegenwärtig nichts anderes als der alte Keynesianismus als Allheilmittel herhalten muss, sollte ein Hinweis sein, dass der selbe nur als Popanz des Neo-Liberalismus zu einer Pseudo-System-Alternative hochstilisiert wurde. So kann man jetzt von Revolution schwadronieren, wobei es sich doch nur um zwei Optionen derselben Medaille handelt (Eine abwägende Einschätzung liefert uns Rainer Rilling), der auch schon recht früh vernünftige Sachen über die "Informationsgesellschaft" bzw. die Politik im Internet und Cyberdemokratie geschrieben hat.
In der Welt hat sich heute der Schriftsteller Burkhard Spinnen zu Wort gemeldet, der mal 1990 ein nettes Büchlein über das "Zeitalter der Aufklebung: Versuch zur Schriftkultur der Gegenwart" veröffentlicht hat, in dem es u.a. um Schriftträger und Beschriftung (Plakat, Aufkleber und beschriftete Menschen" ging.
B. Spinnen, von dem auch das obige Zitat stammt, fordert in der Welt (13.10.2008) die Verhaftung der Banken und führt dann als bekennender Rotarier auch noch sein Unbehagen gegen die Digitalisierung vor (also doch nur ein technisches Problem?):
"Also: keine Revolution? Sondern nur eine von der Panik stimulierte "Regulierungsaktion"? Keine Kurskorrektur, sondern eine Notbremse?
Nein! Ich bestehe jetzt auf einer Revolution! Und wenn alle traditionellen Kriterien fehlen, dann sehe ich das als Beweis dafür, dass es tatsächlich eine Revolution ist. "Die erste Erscheinung des Neuen ist der Schrecken", sagt Heiner Müller, ein Experte des Untergangs. Und Schrecken ist jetzt wahrlich genug vorhanden; also muss es auch Neues geben.
Und diese Neue Revolution - ich wünschte, es wäre diese: Ein Aufstand des Analogen gegen das Virtuelle. Ich wünschte mir eine Verhaftung der Banken als Aufforderung, die Haftung zwischen Geld und Wert wiederherzustellen. Ich wünschte mir eine Entmachtung der Börse, ein Ende der Digitalisierung der Ökonomie als Nivellierung menschlicher Leistung und Energie. Spekulieren hieß einmal, die Dinge als sie selbst erkennen; jetzt heißt es: zocken. Dagegen wünschte ich mir eine Revolution. Einen Aufstand gegen ein Denken und eine Sprache, die den Kontakt zu ihren Gegenständen längst verloren haben.
Ich weiß, man organisiert die moderne Weltwirtschaft nicht, indem man Beutel mit Dukaten und Pfennigen per Schiff verfrachtet. Aber wir alle wissen jetzt, dass man sie mit Versprechungen auf Erwartungen und gestückelten Forderungen und Zertifikaten und Leerverkäufen in Grund und Boden ruiniert. Die Daxokratie hat versagt. Ihre Sprache hat verführt. Ein Aufstand dagegen tut Not."
Rotarierer aller Länder ...
Wenn's denn der Bewusstseinsbildung dient ... aber nicht nur die Geschichte wiederholt sich als Tragödie und Farce, sondern auch ihre ideologischen Abkürzungen ...
Hier noch etwas weitergehende Gedanken, die wahrscheinlich die Befürchtung unseres Rotariers nur beflügeln würden ...
kschoenberger - 13. Okt, 11:12
Trackback URL:
https://technikforschung.twoday.net/stories/5252263/modTrackback