Bristol: Workshop des Media Anthropology Networks
Tilo Grätz ist Mitarbeiter Forschungskollegs Kulturwissenschaftliche Technikforschung und besuchte im September den Workshop des Media Anthropology Networks in Bristol. Hier sein Bericht:
Workshop des Media Anthropology Networks, Tagung der European Association of Social Anthropologists (EASA) „Europe and the World“Bristol, 18.-21.09.2006
von Tilo Grätz
Die EASA Tagung ist inzwischen die größte Tagung der Ethnologen aller regionaler und thematischer Ausrichtung im europäischen Raum. Dies zeigt sich an der Teilnehmerzahl (870 offizielle Teilnehmer), aber auch an der Zahl der Panels und Workshops (102).
Zugleich manifestierte sich eine enorme Themenbreite. Hier soll von den Sitzungen des Media Anthropology Netwerkes berichtet werden. Das Netzwerk gibt es seit 3 Jahren, es ist überaus aktiv auch zwischen den großen Tagungen. Es gibt eine mailing list, regelmäßige E- Seminare, die einen Text diskutieren, sowie eine Webseite mit Tagungshinweisen und einer annotierten Bibliographie. Ab und an werden summer schools organisiert.
In diesem Falle wurden zwei thematische Workshops angeboten. In einem Workshop ging es um understanding media practices, vor allem um theoretische und methodische Zugänge zum Feld. Beiträge eher theoretischer Natur wechselten mit Fallstudien, die aber diese Fragestellung aufgriffen. Der Workshop wurde von John Postill und Birgit Bräuchler organisiert. Postill (Universität Sheffield) beschäftigt sich derzeit mit Internetpraxen in Malaysia, Bräuchler (Asia Resarch Institute, Universität Singapur; vormals Institut für Ethnologie München) arbeitete über Internetnutzung durch Konfliktpartien im Molukkenkonflikt. Das Eingangsreferat von Postill wurde von Mark Hobart, Medienethnologie, diskutiert. Es ging vor allem um die Relevanz des auf Bourdieu bezogenen, mit Alltagspraxen verbundenen Begriffes des Feldes (social field), den Hobart im Gegensatz zu Postil als zu statisch kritisierte. Hobart forderte einen erweiterten theoretischen Ansatz, nicht nur die Erweiterung von Medienstudien um Praxen. Der Beitrag von Daniel Taghioff (London) war ebenfalls eher theoretischer Natur, er fasste die bisherigen Ansätze der Medienanthropologie zusammen und mahnte einen schärferen Kommunikationsbegriff an. Cora Bender (Bremen) beschrieb das Verhältnis von Identität, Musikstilen und Radiosendungen amerikanischer Indianer in lokalen Stationen in den USA. Sie kombinieren die verschiedensten Stile, in denen sich auch Unterschiede zwischen den Generationen zeigen. Diese Radiosendungen sind nach wie vor ein wichtiges Moment der Alltagskultur in der amerikanischen Provinz. Ursula Rao (Halle) sprach über das Verhältnis von Zeitungsjournalisten und Politikern in Indien. Sie argumentierte, dass unterprivilegierte Gruppen über die Presse eine eigene mediale Kultur entwickeln, deren Strategien und Stile sie analysierte. Angela Dressler (Bremen) berichtete über deutsche Auslandskorrespondenten, denen sie an drei verschiedenen Orten nachging. Sie zeigte ihre Alltagszwänge, Strategien und Produktionen in Referenz auf heimisches Publikum und Redaktionen im Unterschied zu Medienproduktionen von Korrespondenten anderer Herkunftsländer, also die kulturelle Prägung von Nachrichtenproduktionen.
Peter Hervik (Malmö) ging am Beispiel des Mohamed - Karikaturenstreits auf den Zusammenhang politischen Kalküls und medialer Produktion ein. Er erläuterte das Wirken von Medienratgebern, spin doctors, die das Verhalten der dänischen Regierung prägten, die auch anderen Ortes von immer größerer Bedeutung sind. Alexander Knorr (München) beschrieb eine besondere Gemeinschaft, die sich vor allem im Internet um ein Computerspiel etabliert und trotz (oder aufgrund) von Krisen verfestigt. Sie besteht seit mehreren Jahren, kann in einen engeren Kreis und – in abnehmender Beteiligung- erweiterten Kreis von Teilnehmern unterteilt werden. Knorr zeigte, dass die Mitglieder des engen Kreises vielfältige Kommunikationswege für intensive Interaktionen nutzen, die auch viele persönliche Bereiche einschließen. Die Beiträge von Elisenda Ardevol (Barcelona) sowie und Steven Hughes (SOAS London) behandelten Alltagspraxen von Nutzern von Videospielen beziehungsweise Kinofilmen.
Im zweiten, kleineren Workshop, der von Monika Rulfs (Bremen) organisiert wurde (mit nur einer Sitzung) ging es um Mediators, d.h. Mittler, Vorreiter, die neue Medien jeweils in besonderer Weise fördern, Verbindungen knüpfen. Postill stellte seine Arbeit über ein internetbasiertes politisch engagiertes Nachbarschaftsnetzwerk in einer Vorstadt, Subang Yaya von Singapur, vor und ging vor allem auf die zentralen Personen ein, die dieses prägen. Oliver Hinkelbein (Bremen) berichtete von Sozialarbeitern, die im Rahmen von speziellen Programmen für ethnische Minderheiten in zwei deutschen Städten eine Art „digitale Integration“ erzielen wollen. Lenie Brouwer (Amsterdam) zeigt am Beispiel von Onlineforen, die von Jugendlichen marokkanischer Herkunft in Holland betrieben werden, wie diese mit Debatten um aktuelle Themen verknüpft sind und Minderheiten eine „Stimme“ geben, aber nicht nur gemeinschaftsstärkenden Charakter haben, sondern potentielle Brücken auch zur Mehrheitsgesellschaft schlagen können. Sie fokussierte auf die Webmaster, die die Foren z.T. moderieren und aufgrund politischer Beobachtung zugleich auf ein Mindestmass an Korrektheit achten müssen.
Auf einem Netzwerktreffen ging es schließlich um Veröffentlichungsvorhaben, die Webpräsenz, nächste work shops und summer schools.
Bei Interesse kann man zunächst die Webseite des Netzwerks konsultieren:
http://www.media-anthropology.net/
Wer enger integriert werden möchte und auf die mailing list möchte, kann sich an John Postill wenden, mit einer kurzen Selbstvorstellung. Über die Mailing - List laufen auch E-Seminare (meist über einen Diskussionstext), die später protokolliert werden
Workshop des Media Anthropology Networks, Tagung der European Association of Social Anthropologists (EASA) „Europe and the World“Bristol, 18.-21.09.2006
von Tilo Grätz
Die EASA Tagung ist inzwischen die größte Tagung der Ethnologen aller regionaler und thematischer Ausrichtung im europäischen Raum. Dies zeigt sich an der Teilnehmerzahl (870 offizielle Teilnehmer), aber auch an der Zahl der Panels und Workshops (102).
Zugleich manifestierte sich eine enorme Themenbreite. Hier soll von den Sitzungen des Media Anthropology Netwerkes berichtet werden. Das Netzwerk gibt es seit 3 Jahren, es ist überaus aktiv auch zwischen den großen Tagungen. Es gibt eine mailing list, regelmäßige E- Seminare, die einen Text diskutieren, sowie eine Webseite mit Tagungshinweisen und einer annotierten Bibliographie. Ab und an werden summer schools organisiert.
In diesem Falle wurden zwei thematische Workshops angeboten. In einem Workshop ging es um understanding media practices, vor allem um theoretische und methodische Zugänge zum Feld. Beiträge eher theoretischer Natur wechselten mit Fallstudien, die aber diese Fragestellung aufgriffen. Der Workshop wurde von John Postill und Birgit Bräuchler organisiert. Postill (Universität Sheffield) beschäftigt sich derzeit mit Internetpraxen in Malaysia, Bräuchler (Asia Resarch Institute, Universität Singapur; vormals Institut für Ethnologie München) arbeitete über Internetnutzung durch Konfliktpartien im Molukkenkonflikt. Das Eingangsreferat von Postill wurde von Mark Hobart, Medienethnologie, diskutiert. Es ging vor allem um die Relevanz des auf Bourdieu bezogenen, mit Alltagspraxen verbundenen Begriffes des Feldes (social field), den Hobart im Gegensatz zu Postil als zu statisch kritisierte. Hobart forderte einen erweiterten theoretischen Ansatz, nicht nur die Erweiterung von Medienstudien um Praxen. Der Beitrag von Daniel Taghioff (London) war ebenfalls eher theoretischer Natur, er fasste die bisherigen Ansätze der Medienanthropologie zusammen und mahnte einen schärferen Kommunikationsbegriff an. Cora Bender (Bremen) beschrieb das Verhältnis von Identität, Musikstilen und Radiosendungen amerikanischer Indianer in lokalen Stationen in den USA. Sie kombinieren die verschiedensten Stile, in denen sich auch Unterschiede zwischen den Generationen zeigen. Diese Radiosendungen sind nach wie vor ein wichtiges Moment der Alltagskultur in der amerikanischen Provinz. Ursula Rao (Halle) sprach über das Verhältnis von Zeitungsjournalisten und Politikern in Indien. Sie argumentierte, dass unterprivilegierte Gruppen über die Presse eine eigene mediale Kultur entwickeln, deren Strategien und Stile sie analysierte. Angela Dressler (Bremen) berichtete über deutsche Auslandskorrespondenten, denen sie an drei verschiedenen Orten nachging. Sie zeigte ihre Alltagszwänge, Strategien und Produktionen in Referenz auf heimisches Publikum und Redaktionen im Unterschied zu Medienproduktionen von Korrespondenten anderer Herkunftsländer, also die kulturelle Prägung von Nachrichtenproduktionen.
Peter Hervik (Malmö) ging am Beispiel des Mohamed - Karikaturenstreits auf den Zusammenhang politischen Kalküls und medialer Produktion ein. Er erläuterte das Wirken von Medienratgebern, spin doctors, die das Verhalten der dänischen Regierung prägten, die auch anderen Ortes von immer größerer Bedeutung sind. Alexander Knorr (München) beschrieb eine besondere Gemeinschaft, die sich vor allem im Internet um ein Computerspiel etabliert und trotz (oder aufgrund) von Krisen verfestigt. Sie besteht seit mehreren Jahren, kann in einen engeren Kreis und – in abnehmender Beteiligung- erweiterten Kreis von Teilnehmern unterteilt werden. Knorr zeigte, dass die Mitglieder des engen Kreises vielfältige Kommunikationswege für intensive Interaktionen nutzen, die auch viele persönliche Bereiche einschließen. Die Beiträge von Elisenda Ardevol (Barcelona) sowie und Steven Hughes (SOAS London) behandelten Alltagspraxen von Nutzern von Videospielen beziehungsweise Kinofilmen.
Im zweiten, kleineren Workshop, der von Monika Rulfs (Bremen) organisiert wurde (mit nur einer Sitzung) ging es um Mediators, d.h. Mittler, Vorreiter, die neue Medien jeweils in besonderer Weise fördern, Verbindungen knüpfen. Postill stellte seine Arbeit über ein internetbasiertes politisch engagiertes Nachbarschaftsnetzwerk in einer Vorstadt, Subang Yaya von Singapur, vor und ging vor allem auf die zentralen Personen ein, die dieses prägen. Oliver Hinkelbein (Bremen) berichtete von Sozialarbeitern, die im Rahmen von speziellen Programmen für ethnische Minderheiten in zwei deutschen Städten eine Art „digitale Integration“ erzielen wollen. Lenie Brouwer (Amsterdam) zeigt am Beispiel von Onlineforen, die von Jugendlichen marokkanischer Herkunft in Holland betrieben werden, wie diese mit Debatten um aktuelle Themen verknüpft sind und Minderheiten eine „Stimme“ geben, aber nicht nur gemeinschaftsstärkenden Charakter haben, sondern potentielle Brücken auch zur Mehrheitsgesellschaft schlagen können. Sie fokussierte auf die Webmaster, die die Foren z.T. moderieren und aufgrund politischer Beobachtung zugleich auf ein Mindestmass an Korrektheit achten müssen.
Auf einem Netzwerktreffen ging es schließlich um Veröffentlichungsvorhaben, die Webpräsenz, nächste work shops und summer schools.
Bei Interesse kann man zunächst die Webseite des Netzwerks konsultieren:
http://www.media-anthropology.net/
Wer enger integriert werden möchte und auf die mailing list möchte, kann sich an John Postill wenden, mit einer kurzen Selbstvorstellung. Über die Mailing - List laufen auch E-Seminare (meist über einen Diskussionstext), die später protokolliert werden
TK-Kolleg - 15. Nov, 10:57
Bourdieu and Subang Jaya
1) Although I have found Bourdieu's theory of practice of use, I am also critical of it in quite a few respects. In fact, I am currently writing a book, Grounding the Internet, in which I discuss in separate chapters some of the limitations of Bourdieu's field theory, namely its inattention to networks, to the circulation (epidemiology) of information across fields, to political process, and to field-related forms of sociality.
2) The field research that forms the basis of that book was in Subang Jaya, a suburb of Kuala Lumpur, in Malaysia (not Singapore).
Best wishes
John Postill
Sheffield Hallam University, UK
j.postill@shu.ac.uk