"Tagebücher für die Forschung" - über wissenschaftliche Weblogs
Andreas Köster, Volontär, beim duz Magazin, rief neulich hier in Hamburg an und erkundigte sich über den Einsatz von Weblogs in der Wissenschaft. Der Artikel "Tagebücher für die Forschung" erschien nun im duz MAGAZIN 07/2005.
Köster befragte eine ganzen Reihe von Wissenschaftlern über den Einsatz von Weblogs in der Wissenschaft. Zum Zeitpunkt seiner Recherche hatte er, nach eigenem Bekunden, nicht viel gefunden. Das sollte auch so bleiben. Daher sind denn auch die Interviewpartner weniger Praktiker als Beobachter oder Nutzer der Szenerie:
"Was in den USA längst gang und gäbe ist, hält in der deutschen Forscherszene erst allmählich Einzug: Die Wissenschaftskommunikation via Online-Tagebuch. Das Potenzial so genannter 'Forschungs-Weblogs' ist unbestritten. Es gilt allerdings, sie auch zu nutzen."
Und damit sind wir bei dem Problem des Artikels. Er bringt die Sache nicht auf den Punkt. Das mag vor allem daran liegen, dass praktische Erfahrungen bisher hierzulande tatsächlich kaum vorliegen. Schließlich wird unser eigenes Weblog als Beispiel herangezogen. Dabei ist es immer wieder eine erhellende Erfahrung, wenn man sich selbst an die zentralen Punkte eines Gespräches zu erinnern versucht und dann sieht, was der Gegenüber daraus gemacht hat:
"Die wichtigsten Hürden auf dem Weg zu einer gelungenen Weblog-Kommunikation müssen jedoch die Forscher selbst überwinden, fordert der Hamburger Kulturwissenschaftler Dr. Klaus Schönberger. Nämlich veröffentlichen und kommentieren, kurz: 'bloggen'. Natürlich weiß er: „Forscher neigen zur Perfektion.“ Und dies führe allzu oft dazu, dass sie erst ans Publizieren dächten, wenn sie sich ihrer Sache ganz sicher seien. „Denn Wissenschaftler sagen nicht gern etwas Unvernünftiges, schon gar nicht in einem öffentlichen Raum.“
Gefordert habe ich das nicht, sondern festgestellt. Und by the way ist es sogar sinnvoll, etwas zurückhaltender zu sein, solange Wissenschaft so funktioniert wie sie funktioniert.
Schönberger reizt indes die Probe aufs Exempel. „Man muss ja mal damit anfangen“, sagt er. Am Hamburger Forschungskolleg 'Kulturwissenschaftliche Technikforschung' betreut er seit kurzem einen Forschungs-Weblog – und wartet seitdem gespannt auf Einträge (http://bildung. twoday.net/stories/719985/). Ein eifriger Tagebuchschreiber war allerdings auch er bislang nicht."
Das mit dem Warten ist natürlich Blödsinn. Vielmehr zeigt sich in der Praxis was vorhersehbar war und ich das dem Journalisten auch gesagt habe. Nämlich dass es illusorisch ist, bloss weil technisch Möglichkeiten zur Verfügung stehen, dieselben auch im Sinne des sozialen Potenzials genutzt werden. Und wer sagt denn, dass bloss weil ein Format ursprünglich vom Tagebuch herrührt, dasselbe auch im Sinne dieser Formatvorgabe angeeignet werden muss. Das wissen nun die Kulturwissenschaftler seit langem, dass Eigensinn, Zweckentfremdung usw. klassische Effekte im Verlauf der Aneignung eines Mediums sind. Insofern kann der Autor noch lange warten ....
Köster befragte eine ganzen Reihe von Wissenschaftlern über den Einsatz von Weblogs in der Wissenschaft. Zum Zeitpunkt seiner Recherche hatte er, nach eigenem Bekunden, nicht viel gefunden. Das sollte auch so bleiben. Daher sind denn auch die Interviewpartner weniger Praktiker als Beobachter oder Nutzer der Szenerie:
"Was in den USA längst gang und gäbe ist, hält in der deutschen Forscherszene erst allmählich Einzug: Die Wissenschaftskommunikation via Online-Tagebuch. Das Potenzial so genannter 'Forschungs-Weblogs' ist unbestritten. Es gilt allerdings, sie auch zu nutzen."
Und damit sind wir bei dem Problem des Artikels. Er bringt die Sache nicht auf den Punkt. Das mag vor allem daran liegen, dass praktische Erfahrungen bisher hierzulande tatsächlich kaum vorliegen. Schließlich wird unser eigenes Weblog als Beispiel herangezogen. Dabei ist es immer wieder eine erhellende Erfahrung, wenn man sich selbst an die zentralen Punkte eines Gespräches zu erinnern versucht und dann sieht, was der Gegenüber daraus gemacht hat:
"Die wichtigsten Hürden auf dem Weg zu einer gelungenen Weblog-Kommunikation müssen jedoch die Forscher selbst überwinden, fordert der Hamburger Kulturwissenschaftler Dr. Klaus Schönberger. Nämlich veröffentlichen und kommentieren, kurz: 'bloggen'. Natürlich weiß er: „Forscher neigen zur Perfektion.“ Und dies führe allzu oft dazu, dass sie erst ans Publizieren dächten, wenn sie sich ihrer Sache ganz sicher seien. „Denn Wissenschaftler sagen nicht gern etwas Unvernünftiges, schon gar nicht in einem öffentlichen Raum.“
Gefordert habe ich das nicht, sondern festgestellt. Und by the way ist es sogar sinnvoll, etwas zurückhaltender zu sein, solange Wissenschaft so funktioniert wie sie funktioniert.
Schönberger reizt indes die Probe aufs Exempel. „Man muss ja mal damit anfangen“, sagt er. Am Hamburger Forschungskolleg 'Kulturwissenschaftliche Technikforschung' betreut er seit kurzem einen Forschungs-Weblog – und wartet seitdem gespannt auf Einträge (http://bildung. twoday.net/stories/719985/). Ein eifriger Tagebuchschreiber war allerdings auch er bislang nicht."
Das mit dem Warten ist natürlich Blödsinn. Vielmehr zeigt sich in der Praxis was vorhersehbar war und ich das dem Journalisten auch gesagt habe. Nämlich dass es illusorisch ist, bloss weil technisch Möglichkeiten zur Verfügung stehen, dieselben auch im Sinne des sozialen Potenzials genutzt werden. Und wer sagt denn, dass bloss weil ein Format ursprünglich vom Tagebuch herrührt, dasselbe auch im Sinne dieser Formatvorgabe angeeignet werden muss. Das wissen nun die Kulturwissenschaftler seit langem, dass Eigensinn, Zweckentfremdung usw. klassische Effekte im Verlauf der Aneignung eines Mediums sind. Insofern kann der Autor noch lange warten ....
kschoenberger - 26. Jul, 10:25
Blogs in der Wissenschaft..
- Blogs für Ankündigungen und Hinweise (so wie dies hier)
- Blogs als wiss. Lern/Forschungsjournal im Sinne eines persönlichen Archivs mit Reflexionen
- Blogs als Forum für fachliche Diskurse mit Kollegen
- Blogs als Ort der internen Projektkoordination
- ...
Je nach Verwendungsweise werden die "Forscherblogs" unterschiedlich lebendig sein, unterschiedlich viele Kommentare anziehen, Texte in unterschiedlichen Stadien der Perfektion (von der rohen Skizze einer einzelnen Idee bis hin zur pdf-Fassung eines Buchkapitels) publizieren etc.
Insofern scheint mir der Artikel, zumindest soweit es aus diesen Zitaten hier sehen kann, tatsächlich etwas zu kurz zu springen.. werde ihn mir mal ganz durchlesen.
Das Problem ist das Insistieren auf dem Tagebuch-Format bzw. -Dispositiv
Ein anderer Punkte wäre allerdings, ob das in den wissenschaftlichen Blogs in den USA anders ist (worüber ich empirisch derzeit nichts zu sagen vermag). Wenn ein Ausbreiten subjektiver Äußerungen oder anderer Befindlichkeiten dort tatsächlich vorherrscht, dann könnte es immerhin sein, dass dieses Vorbild nicht kompatibel ist mit der Art von Selbstrepräsentation von Wissenschaft hierzulande (mal als ungeschützte Hypothese). Dann hätten wir es mit einem Kulturspezifikum, dass die Aneignung bzw. Nichtaneignung beeinflusst, zu tun (voraussgesetzt die potentiellen Anwender wissen tatsächlich über die Praxis in den USA).