Happy Birthday Hermann Bausinger ...

Heute, 17.9. 2006, begeht der frühere Institutsdirektor des Ludwig-Uhland-Instituts für Empirische Kulturwissenschaft, Prof. Hermann Bausinger, seinen 80. Geburtstag.

Die offiziellen Feierlichkeiten wurden bereits am 15.9. am LUI durchgeführt. Auch wir aus Hamburg gratulieren ganz herzlichst. Anlässlich dieses Jubiläums hat das Tübinger LUI eine Ausstellung zu Ehren von Hermann Bausinger eröffnet:

Der knipsende Volkskundler
Ludwig-Uhland-Institut feiert den 80. Geburtstag von Hermann Bausinger mit einer Ausstellung

Beim Stöbern in der Fotosammlung des Ludwig-Uhland-Instituts stießen die Empirischen Kulturwissenschaftler auf dem Tübinger Schloss vor einiger Zeit auf zwei unscheinbare rote Negativalben aus dünner Pappe. Es stellte sich heraus, dass die rund 800 Kleinbildnegative von Hermann Bausinger stammten, dem langjährigen Leiter des Instituts. Eine Auswahl davon ist nun zusammen mit anderen Fotografien, Objekten und Dokumenten aus den fünfziger Jahren vom 17. September bis zum 29. Oktober 2006 im Haspelturm des Ludwig-Uhland Instituts zu sehen - eine Hommage an Bausinger, der am 17. September seinen 80. Geburtstag feiert.

Konzipiert wurde die Ausstellung "Der Knipsende Volkskundler. bausingerFotografien aus dem Tübinger Ludwig-Uhland-Institut der fünfziger Jahre" im Rahmen eines Studienseminars unter der Leitung des Fotohistorikers Ulrich Hägele. Zu den meisten Negativen hatte Bausinger handschriftlich kurze Angaben in die Alben notiert. Von vielen Bildern musste allerdings der Entstehungszusammenhang erst rekonstruiert werden. Hierzu befragten die Studenten den Autor über seine Fotografien, seine Arbeit und die damalige Zeit. In der Ausstellung sind Bausingers Fotografien mit entsprechenden Interviewpassagen versehen, dadurch gewinnt der Besucher einen sehr persönlichen Einblick in den frühen Werdegang einer wissenschaftlichen Karriere. Zudem werden die Bilder mit Beispielen aus der Fotogeschichte konterkariert: "Hermann Bausinger operierte mit seiner Kamera ja nicht in einem luftleeren Raum", betont Hägele, "wie jeder Fotograf verarbeitete er in seinem Werk Bilder, die er im Gedächtnis gespeichert hatte." Bausinger fotografierte als Assistent des Ludwig-Uhland-Instituts mit der Institus Leica zwischen 1953 und 1960 vor allem auf Forschungsreisen und Exkursionen. Die Schwarzweißfotografien
zeigen volkskundliche Dinge, Architekturen, Landschaften und immer wieder - Menschen.

Sie lassen einen auf das Objekt konzentrierten, wohl geschulten ethnographischen Blick erkennen, der nicht ohne Ironie Mitmenschen, Gewährsleute und so manche Artefakte des wissenschaftlichen Feldes beleuchtet. So blendet Bausinger etwa technische Dinge nicht aus, sondern hält sie als Selbstverständlichkeiten des Alltags der Zeit fest. Seine Familienbilder lassen dagegen eher den Fotoamateur erkennen, der seine Linse vor allem auf herausragende Situationen abseits des familiären Alltags richtet: auf Urlaub, Feste und den sonntäglichen Spaziergang.

Die oftmals sozialdokumentarisch angelegten Fotografien werfen ein erhellendes Licht auf den Wissenschaftsbetrieb im ersten Jahrzehnt nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Tübinger Volkskunde befand sich damals am Beginn eines Selbstfindungsprozesses, der das Fach schließlich von den traditionellen Themen des Folklorismus hinführte zur Erforschung der Kultur und Lebensweise - zum Alltag der Menschen in der Gegenwart. Bahnbrechend in dieser Entwicklung war seit 1955 das Projekt "Neue Siedlungen" - eine Studie über die Situation der Heimatvertriebenen in Württemberg.

Hermann Bausingers Fotografien sind denkwürdige Zeugnisse der Arbeitsweise eines noch jungen Wissenschaftlers. Sie vermitteln Einblicke in die große Zeit der studentischen Exkursionen, sie lassen biographisch-persönliche Motivationen erkennen und sind somit beeindruckende Quellen für die Geschichte der Volkskunde als universitäre Disziplin.


(aus: LUI/TVV-Newsletter 25, September 2006)


"Der Knipsende Volkskundler. Fotografien aus dem Tübinger Ludwig-Uhland-Institut der fünfziger Jahre."
17. September bis zum 29. Oktober 2006
Haspelturm des Ludwig-Uhland-Instituts
Öffnungszeiten:
Montag bis Donnerstag 13-17 Uhr, Freitag 13-15 Uhr, Sonn- und Feiertags 11-17 Uhr.
Der Eintritt ist frei. Der Katalog zur Ausstellung kostet 10 Euro.


In seiner Funktion als Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde (dgv) gratulierte der Leiter des Forschungskollegs Kulturwissenschaftliche Technikforschung, Prof. Thomas Hengartner, mit einem Vortrag über den "virtuellen Bausinger". Dabei ging er der Frage nach, in welcher Weise Hermann Bausinger im Internet präsent ist.

Die Stuttgarter Nachrichten (15.9. 2006) führte anlässlich seines 80. Geburtstages ein Interview mit Hermann Bausinger über Nationalstolz, Identität, Patriotismus und Journalismus:

Wie genau verfolgen Sie Tagesgeschehen?

Ich lese seit meiner Emeritierung mehr und ausführlicher Zeitungen. Für die Kulturwissenschaftler sind sie eine wichtige Quelle. Ich habe mich immer gegen abfällige Äußerungen über den Journalismus gewehrt. Wir machen zum Teil nichts anderes als guter Journalismus. Recherchieren und genau arbeiten, das steckt im Begriff Empirische Kulturwissenschaft drin. In der Zeitung wird man auf vieles gestoßen, kluge Journalisten haben manchmal eine schlauere Perspektive als Wissenschaftler. Freilich haben wir auch jahrzehntelang die etwas modrige Heimatberichterstattung kritisiert, in der etwa behauptet wurde, dass die Fastnacht auf die Sueben zurückgeht. Manches haben wir zurechtgerückt, aber es tauchen immer noch Schwärmereien für die Urgeschichte auf.

Aber sind diese nicht nachvollziehbar auf der Suche nach Identität?

Sie sind problematisch, vor allem wenn die Herleitung falsch ist. Das generelle Interesse an Urgeschichtlichem finde ich sehr verständlich. Es ist faszinierend, zu erkennen, wer hier früher wie gelebt hat. Aber das Kleben an den langen Zeitstrecken ist zum Teil auch Flucht, zur Geschichte gehört auch die Zeit des Nationalsozialismus.

Wie soll man sich mit dem Nationalsozialismus auseinander setzen?

Für die Selbstdefinition der Nation und der Menschen kann man das nicht einfach ausblenden. Auch wenn es nur zwölf Jahre gedauert hat, war es ein wahnsinniger Angriff auf fremde Länder und ein wahnsinniger Eingriff in die Lebensmöglichkeiten von Millionen. Was ich beispielsweise in der Diskussion über Günter Grass vermisst habe, ist die bis heute unbeantwortet gebliebene Frage, wie es zu dieser im Rückblick kaum mehr verständlichen Begeisterung und Zustimmung kommen konnte.

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Deutungsmuster und Erzählstrategien bei der Bewältigung beruflicher Krisenerfahrungen In: Seifert, Manfred/Götz, Irene/Huber, Birgit (Hg.): Flexible Biographien. Horizonte und Brüche im Arbeitsleben der Gegenwart. Frankfurt u. a. 2007, S. 167-184.








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