"Arbeit ist Kraft mal Weg": Digitale Bohème: "Wir nennen es Arbeit"

Sascha Lobo und Holm Friebe haben einen Buch über die von ihnen ausgerufene "Digitale Bohème", über "soziales Kapital", "WLAN Verfügbar oder nicht verfügbar" verfasst: "Wir nennen es Arbeit":

Ein von Mario Sixtius für Handelsblatt.com produziertes Video findet sich bei YouTube oder im Weblog des Autors, beim "Elektrischen Reporter":

"Dieses Buch ist hypermodern, jeder sollte es lesen", findet Ingeborg-Bachmann-Preisträger Peter Glaser. In "Wir nennen es Arbeit" portraitieren Holm Friebe und Sascha Lobo die digitale Bohème, Großstadtbewohner, die dank Digitaltechnik und Internet dem Traum des selbstbestimmten Arbeitens bereits sehr nahe kommen—jenseits von Festanstellung oder GmbH-Gründung.

Warum sie trotzdem nicht die Speerspitze der Neoliberalen sind und was das Nähen von Puppenkleidern damit zu tun hat, erläutern die beiden Autoren im Gespräch.


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Direct Link

By the way: Mario Sixtius hat für das Handelsblatt mit dem Video-Podcast "Der Elektrische Reporter" ein neue Form der Wochenschau kreeirt.

elektrischer Reporter

Aus der Verlagsankündigung:
ETWAS BESSERES ALS DIE FESTANSTELLUNG FINDEN WIR ÜBERALL!

Sie verzichten dankend auf einen Arbeitsvertrag und verwirklichen den alten Traum vom selbstbestimmten Leben. Mittels neuer Technologien kreieren sie ihre eigenen Projekte, Labels und Betätigungsfelder. Das Internet ist für sie nicht nur Werkzeug und Spielwiese, sondern Einkommens- und Lebensader: die digitale Boheme. Ihre Ideen erreichen – anders als bei der früheren Boheme – vor allem über das Web ein großes Publikum und finanzieren sich damit. Ein zeitgemäßer Lebensstil, der sich zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor entwickelt.

Auf Angestellten-Frust kann man mit der „Entdeckung der Faulheit“ reagieren, wie es Corinne Maier in ihrem Bestseller fordert: Arbeitszeit absitzen, sicheres Gehalt einstreichen. Die digitale Boheme repräsentiert die mutigere Alternative: Immer mehr junge Kreative entscheiden sich für das Leben in Freiheit. Ihr Hauptziel ist nicht das Geldverdienen, sondern ein selbstbestimmter Arbeitsstil, der den eigenen Motiven folgt – in unsicheren Zeiten vielleicht die überlegene Strategie. Denn ihre enge Einbindung in soziale, künstlerische und digitale Netzwerke bringt ständig neue, teilweise überraschende Erwerbsmöglichkeiten mit sich. Sie schalten Werbebanner auf ihren Websites, handeln mit virtuellen Immobilien, lassen sich Projekte sponsern oder verkaufen eine Idee an einen Konzern. Ihre Produkte und ihre Arbeitsweise verändern den Charakter der Medien und des Internets, bald auch den der Gesellschaft. Holm Friebe und Sascha Lobo porträtieren die digitale Boheme: Sie stellen erfolgreiche Konzepte und innovative Ansätze vor und erklären wirtschaftliche, technische und soziale Entwicklungen und Hintergründe. Ihre spannende Analyse einer zukunftsgewandten Daseinsform inspiriert dazu, so zu arbeiten, wie man leben will.


Etwas kritischer geriert sich eine Rezension im Deutschlandradio Kultur (6.10. 2006) von Kolja Mensing:

"Zwangsoptimismus alleine führt auf jeden Fall nicht zu dem "leidenschaftlichen Gegenentwurf" zum Neoliberalismus, den Friebe und Lobo am Anfang ihres Buches etwas großspurig angekündigt haben, und dass die "digitale Bohème" ein globales Phänomen sei und ihre Angehörigen sich im Zuge der Globalisierung überall auf der Welt "unbekümmert und mit Spaß" vor den Monitor setzen, ist reines Wunschdenken. Das Buch über das digitale Lumpenproletariat wird sicherlich bald geschrieben werden."

Ausserdem wissen wir, dass das Werk aus der Zentralen Intelligenz Agtentur in Berlin stammt, und die verstehen sich verdammt gut auf Kommunikationsguerilla-Aktionen ("Die Zentrale Intelligenz Agentur ist ein kapitalistisch-sozialistisches Joint Venture mit dem Anspruch, neue Formen der Kollaboration zu etablieren. Als virtuelle Firma kombinieren wir die Professionalität eines Unternehmens mit der Flexibilität eines Freiberuflernetzwerks und decken so umstandslos ein breites Leistungsspektrum ab."). Da muss man erst mal abwarten, wie ernst das alles tatsächlich gemeint ist. Und mal abwarten, wie sich dat janze von den Traktaten eines Herrn Horx unterscheidet.

Über die Autoren

Holm Friebe, geboren 1972, ist Volkswirt und Journalist. Er arbeitete als Trendforscher und Headwriter einer Literatursendung auf MTV, bevor er 2002 in Berlin mit Freunden die virtuelle Universalfirma Zentrale Intelligenz Agentur gründete. Als Geschäftsführer ist er dort zuständig für Strategie und Formatentwicklung, hat unter anderem "Powerpoint-Karaoke" erfunden und das Weblog Riesenmaschine.de konzipiert. Texte von ihm erscheinen in Jungle World, taz, Titanic, Neon und Kursbuch. Für die Berliner Zeitung schreibt er die Trendkolumne "Das nächste große Ding".

Lobo_Friebe

Sascha Lobo, geboren 1975, ist freier Werbetexter. In der Zeit der New Economy gründete er eine eigene Werbeagentur, die innerhalb von sechs Monaten auf über 30 Mitarbeiter anwuchs und elf Monate später Insolvenz anmeldete. Danach arbeitete er bei einer Berliner Werbeagentur als Kreativdirektor für den Bereich Internet, entwickelt freiberuflich Markenkonzepte und Kampagnen und schreibt unregelmäßig für die Zeitschrift Blond. Seit Juni 2005 ist er Chefredakteur des Weblogs Riesenmaschine.de. "
Sascha Lobo - 18. Okt, 10:53

Ja, entweder man wartet ab oder man liest halt das Buch oder erstmal auch nur so lange das Blog zum Buch (siehe obigen Link), bis man sich darauf freut oder denkt "Was für Idioten!". Der Unterschied nicht so sehr zu Horx, weil ich den (anders als Holm) zu wenig kenne, sondern zu anderen Berufspropheten liegt darin, dass wir eine Diskussion um diese Art zu arbeiten und zu leben anstossen wollen. Wir haben keine Patentlösungen anzubieten, sondern möchten, dass die vielen Menschen, die glauben, das Lebensglück bestehe aus einer Abteilungsleiterschaft bei Siemens, eine Alternative vorgeführt bekommen. Und zwar eben keine "Entrepreneurship"-Alternative a la Westerwelle, sondern Selbständigkeit um des eigenen seelischen Wohlbefindens willen. Ist nicht für jeden sinnvoll, klar, aber für viel mehr Menschen als sie selbst glauben.

kschoenberger - 18. Okt, 20:55

Werter Sascha Lob,

Das ist schon richtig, aber eben in dieser Differenziertheit, wie es der letzte Satz anklingen lässt. Und dazu hat beispielsweise die kulturwissenschaftliche Arbeitsforschung auch einiges zu sagen.
Und die Deutschlandfunk-Rezension verweist auch gleich auf das offensichtliche Defizit Eures Lesens mit Blick der zum Thema vorliegenden Untersuchungen. Gut, Journalisten sind nicht verpflichtet die wissenschaftliche Literatur zur Kenntnis zu nehmen und wo ZIA draufsteht, muss nicht ZIA drin sein. Aber die Art des Werbefeldzuges für den Begriff der "Digitalen Bohème", der mindestens genauso viel analytischen Tiefgang hat wie die "Generation Golf" (bloss die einen sitzen vor dem Computer und die anderen im Auto) hat halt Konsequenzen.

Man sollte daher nicht eingeschnappt sein, wenn man an der Propaganda gemessen wird, die man durchaus geschickt zu lancieren weiss. Und da werden die Begriffe dann halt auch ernst genommen. Und wenn man aus dem ZIA-Kontext kommt, der durchaus weiss wie "Guerilla-Marketing" geht, dann ist der Leser eben etwas zurückhaltender.

Nebenbei gemerkt, vielleicht auch aufschlussreich, folgende Selbstbeschreibung via http://www.zentrale-intelligenz-agentur.de/mitarbeiter/lobo.html:


"Name:
Sascha Lobo

Status:
Inoffizieller Mitarbeiter

Hintergrund:
Strategie & Kreation, Text & Konzept. Werbung, Internet, PR, Marketing und Unterhaltung.

Spezialgebiete:
Below the Line, Guerilla-Kommunikation, Events, Internet.
Konsistente Markenkommunikation. Agentur-PR.
Unterhaltungstexte."


Aber wenn Ihr es schafft, damit in die Talk-Shows zu kommen, wovon ich fest ausgehe, dann freue ich mich mit Euch ... in der Wissenschaft könnte es schwieriger werden (Ausnahme vielleicht die SPIEGEL-Wissenschaftler wie Bolz oder -philosophen wie Sloterdjk). Wenn ich dann beim nächsten Air-Berlin-Flug den Focus in Händen halte, will ich Euch dort aber ebenfalls angemessen vertreten sehen. Bis die Tage ...
Sascha Lobo - 19. Okt, 13:14

Huch, das hört sich ja von mir tatsächlich beim Nachherlesen etwas eingeschnappt an. War überhaupt nicht meine Absicht. Natürlich kenne ich mich mit Guerilla-Marketing aus, das ist mein Job, es wäre eher unfair, das zu verschweigen. Im Buch geht es mir aber um die Sache, tatsächlich. Ich würde in dem Kontext ungern von einem Werbefeldzug zum Begriff "digitale Bohème" sprechen, sondern von Information über diese Art zu leben. Dass ein Schlagwort, dass dazu da ist, Wiedererkennung und eine geeignete Form der Pauschalisierung zu liefern, keinen analytischen Tiefgang mit sich bringt, liegt in der Natur der Sache. Wir kennen und beschreiben (im Buch) auch das, was ich im letzten Satz angedeutet habe, nämlich, dass wir keine Weltlösung anbieten, die alle glücklich machen wird, sondern versuchen, in unseren Augen zusammengehörende Dinge in einen intellektuellen Zusammenhang zu bringen.

Ich möchte damit übrigens nicht jede Form der Kritik abschmettern, es kommt mir auf die Diskussion an, es geht eher um Agendasetting dieses Lebensstils als darum, unsere Meinung als die einzig richtige hinzustellen. Wer Buch und Thesen allerdings als "neoliberal" bezeichnet, dem muss ich vorwerfen, es nicht richtig oder nicht ganz gelesen zu haben. Wenn man wie wir explizit einen starken Staat in sozialen Bereichen fordert, geht das (unter anderem das) nicht mit so einer Behauptung einher. Verdammt, höre ich mich schon wieder beleidigt an? Soll nicht. Wäre schon froh, wenn mehr Leute einfacher in die Künstlersozialkasse reinkommen würden.

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Deutungsmuster und Erzählstrategien bei der Bewältigung beruflicher Krisenerfahrungen In: Seifert, Manfred/Götz, Irene/Huber, Birgit (Hg.): Flexible Biographien. Horizonte und Brüche im Arbeitsleben der Gegenwart. Frankfurt u. a. 2007, S. 167-184.








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