Technikgeschichte und Kulturbegriff

Auf der "Gemeinsamen Jahrestagung der Gesellschaft für Geschichte der Medizin, Naturwissenschaft und Technik (DGGMNT) und der Gesellschaft für Wissenschaftsgeschichte (GWG)target=new vom 28. September bis zum 1. Oktober 2006 in Braunschweig" ging es auch um den Kulturbegriff:


" 'Kultur der Wissenschaften - Wissenschaften in der Kultur", so lautete der Titel, unter dem die diesjährige Konferenz der beiden deutschsprachigen wissenschaftshistorischen Gesellschaften stand. Die Zentrierung des Tagungsthemas um so umkämpfte und viel diskutierte Begriffe wie 'Wissenschaft' und 'Kultur' legt sofort nahe, dass hier ein weites Spektrum wissenschafts- und kulturgeschichtlicher Fragen zur Diskussion kam. So wurde ganz grundsätzlich das Verhältnis zwischen Wissenschaftsgeschichte und der neueren Kulturgeschichte, das heißt die Öffnung der Wissenschaftsgeschichte für kulturgeschichtliche Fragestellungen, angesprochen. Die Formel 'Wissenschaften in der Kultur' zog Vorträge an, die die wissenschaftsgeschichtlichen Untersuchungsgegenstände und -inhalte auf ihre Bedeutung für die Kultur, verstanden als Gesellschaft, hin befragten oder in ihrer gesellschaftlichen Relevanz für die Normierung von Kultur, verstanden als Lebensführung, verorteten. Die Überschrift 'Kultur der Wissenschaften' verweist darüber hinaus darauf, dass sich die Wissenschaftsgeschichte der letzten Jahre eine eigene kulturgeschichtliche Perspektive erarbeitet hat, die die Konstruktionsleistungen bei der Entstehung von Wissen sichtbar macht. Sie betont den sozialen, epistemischen, materiellen und politischen Aufwand, mit dem Wissenschaften zu ihren Fragestellungen, Untersuchungsgegenständen und Ergebnissen kommen. Unter diesem Blickwinkel rücken die Arbeitsinstrumente, wissenschaftlichen Praktiken, Rituale und Aushandlungen von WissenschaftlerInnen ins Zentrum. Aus diesem Ansatz ergeben sich, wie zu sehen sein wird, Anschlussmöglichkeiten für die allgemeine Geschichte." (1]

Dabei lässt sich der Eindruck gewinnen, dass es gegenwärtig der Kulturbegriff sein könnte, der die verschiedenen Disziplinen zur Kommunikation zwingt:


"Während zu Beginn des 21. Jahrhunderts der Kulturbegriff des Kulturanthropologen Clifford Geertz (*1926) die Diskussionen bestimmt, prägte der Historiker Paul Hinneberg (1862-1934) das Begriffsverständnis einhundert Jahre zuvor. Hinneberg
versuchte, mit seinem auf mehr als 60 Bände angelegten Werk 'Die Kultur der Gegenwart' (1906-1925) dem Auseinanderstreben der „zwei Kulturen“ in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts entgegenzuwirken. Sein Ziel „einer Zusammenfassung des auf den einzelnen Kulturgebieten Erreichten“ beruhte auf einem weiten Kulturbegriff – durch Menschen hervorgebrachtes Wissen, Erfahrungen, Techniken, Organisationsformen… –, im Vergleich zu Geertz’ interpretierender, nach Bedeutung von Verhalten suchender Ethnologie. Während sich heute die Kulturwissenschaften des Begriffes von Geertz’ bemächtigt haben, um abgegrenzt gegenüber der deduktiven Logik der Naturwissenschaften die eigensinnige Logik des kulturellen Lebens“ zu untersuchen, war Hinneberg bemüht, Mathematik, Naturwissenschaften, Technik, Medizin in das Dach einer einheitlichen Kultur einzubinden." [2]


In einem Plenarvortrag sprach Ute Daniel (Braunschweig) über den Kulturbegriff Im Hinblick auf die Medienwissenschaft(en):

Ute Daniel zum Kulturbegriff

"Ute Daniel (Braunschweig) etwa legte in ihrem Vortrag 'Die Geburt der Medienwissenschaft aus dem Geist der Propaganda. Zur Entstehungsgeschichte der Medienwissenschaft' einen erfahrungsbasierten Kulturbegriff an, der anwendungsnahe Wissenschaften ganz in ihren politischen und wirtschaftlichen Komponenten aufgehen lässt. Mit Verve skizzierte sie die Entwicklung der deutschen Medienwissenschaft aus dem kollektiven Umgang mit Propaganda und ihrer Wirkung im Ersten Weltkrieg. Aus wissenschaftsgeschichtlicher Perspektive ist kritisch anzumerken, dass Daniel dies unternahm, ohne Bezug auf die spezifisch technische Ermöglichung der massenmedialen Vergesellschaftung und der fachlich-systematischen Reflexion dieses Umstands innerhalb der beteiligten Wissenschaften seit dem späten 19. Jahrhundert zu nehmen. Gegenüber der in der politischen Meinungsforschung tätigen Sozialforscher wie Paul F. Lazarsfeld blieb so auch der Anteil, den kultur- und literaturwissenschaftlich orientierte Protagonisten wie Walter Benjamin an der Etablierung medienwissenschaftlicher Theoreme hatten, ausgeblendet." [1]


Quelle(n):
[1] Bericht von Gerlind Rüve (Hannover), Andrea Westermann (Zürich), Marion Hulverscheidt (Berlin/Heidelberg), Verena Witte (Bielefeld) von der infogtg-Mailliste
[2] Abstracts der Tagung

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