Oberösterreichische Landesausstellung "Kohle und Dampf" in der Kritik

Die diesjährige oberösterreichischen Landesausstellung zum Thema "Kohle und Dampf" ist in die Kritik geraten.

Kritisiert werden eine ganze Reihe vor allem geschichtspolitischer Fragwürdigkeiten. So sei das as NS-Thema gänzlich ausgespart worden. In der KUPF-Zeitung, Nr.118/4/06, September 2006, herausgegeben von der oberösterreichischen Kulturplattform KUPF, kritisiert Martin Wassermair die geschichstpolitischen Implikationen der Ausstellung sehr scharf:

"Viel Kohle für viel Dampf!
Ein kritischer Bericht zur OÖ. Landesausstellung 2006


Die oberösterreichische Landesausstellung 2006 verspricht das Eintauchen in die Vergangenheit von Bahn und Bergbau im Hausruckwald. In den Untiefen von "Kohle und Dampf" offenbaren sich allerdings neben Erlebniswelten vor allem historische Auslassungen und wissenschaftliche Einfaltspinselei.


Der erste Vorwurf lautet: Romantisierung

Landeshauptmann Josef Pühringer schwelgte schon vor der Eröffnung in Euphorie. "Der Braunkohlebergbau im Hausruck", erklärte er im Interview mit den OÖ Nachrichten (27. April 2006), "war ein Meilenstein in der Entwicklung Oberösterreichs vom Agrarland zum modernen, dynamischen Wirtschaftsstandort".
(...)
Wird in der Landesausstellung 2006, die immerhin eine beachtliche Anzahl Menschen erreicht, tatsächlich von einem Strukturwandel erzählt? Ist etwas von sozio-kulturellen Konflikten zu erfahren, die angesichts tief greifender Veränderungen zumeist unausweichlich sind? Vermittelt "Kohle und Dampf" gar die Komplexität einer in der Region Jahrzehnte andauernden politischen Auseinandersetzung?

Die zentrale Ausstellung im Industriedenkmal der Kohlesortierung in Ampflwang vermittelt zunächst Eindrücke vom Alltagsleben der Bergarbeit. Persönliche Erinnerungsstücke in authentischer Umgebung, jede Menge Fotografien sowie Arbeiten des 1922 geborenen Malers Willi Helfert. Seine Werke strotzen vor Kraft, zeigen heldenhafte Figuren, deren Stolz - so macht es den Anschein - vom schwarzen Ruß der Stollen nicht unterzukriegen ist. Physikalische Kleinlaboratorien und Modelleisenbahnen ergänzen das Potpourri. Vor allem die Jüngsten fühlen sich da wohl. Für Kinder wurde eine Vermittlungsprogramm eingerichtet, das den gemeinhin als langweilig bekannten Museumsaufenthalt zu einem regelrechten Erlebnis macht. Sie können durch modellhafte Gruben robben, Mut beweisen im Kampf gegen Gefahr und Finsternis und sich dabei sogar der Gegenwart der Schutzheiligen der Bergleute erfreuen. Die Hl. Barbara ist an diesem Ort mehr als nur ein Ausstellungsobjekt. Ein eigens ihr gewidmeter Raum erhebt sie in mehrfacher Ausführung zum Gegenstand frömmelnder Verehrung.

Die soziale Romantisierung der oftmals bitteren Realitäten sowie die ästhetisierende Verklärung katholischer Kulte fügen sich beinahe nahtlos an die Darstellung der Unternehmensgeschichte der Wolfsegg-Traunthaler Kohlenwerks AG (WTK). Die Zeitleiste erzählt von den historischen Markierungen, die der Kohlebergbau in den vergangenen Jahrhunderten in die Region geschrieben hat. Bis zu dem Punkt, als das Werk Mitte der 1990er Jahre endgültig geschlossen wurde. Die ehemals stolzen Grubenarbeiter, eine durchaus klassenbewusste Enklave inmitten einer agrarischen Kultur, bekamen die Konsequenzen mit aller Rücksichtslosigkeit zu spüren. Sie gingen in Demonstrationszügen auf die Straßen, appellierten an die Politik, um letztendlich mit dem Ende dieses Industriezweigs im Hausruckwald die Angebote zur Umschulung auf Hotelfachkraft oder Tennislehrer in Anspruch zu nehmen. Soviel ist zu erfahren.



Der zweite Vorwurf lautet: Lückenhaftigkeit

Doch wo bleibt nun die sachdienliche Auskunft, die der Landeschef versprochen hat? Wo informiert die Landesausstellung über die Ursachen der globalen Energie- und Wirtschaftskrisen, wo über zeithistorische Zusammenhänge, die den Wandel beschleunigten und in Folge auch gesellschaftliche und politische Zerwürfnisse nach sich ziehen mussten?

Der dritte Vorwurf lautet: Auslassungen

Einen Hinweis, dass gerade diese Region eine sehr blutige Geschichte aufzubieten hat, bot zur gleichen Zeit im benachbarten Wolfsegg die sommerliche Wiederaufführung von Franzobels Erfolgsstück "Hunt oder der totale Februar", einer theatralischen Aufarbeitung der Ereignisse des Jahres 1934, die - so ist in den Programmheften zu lesen - "die gesamte Region Hausruck und sogar das gesamte Land erschütterten und noch heute bewegen".

Fehlanzeige. "Kohle und Dampf" zeigt lediglich eine rote Fahne mit dem Bildnis von Karl Marx. Sie ist Eigentum des Bergarbeitervereins Holzleiten. Daneben berichtet eine kleine Texttafel von "bewaffneten Kämpfen" im Jahre 1934, die Abbildung einer Gedenktafel erinnert an die Toten. Waren es ungezügelte Banden, die hier tobten? Eine Fehde zweier Clans, die um die Wiederherstellung ihrer Familienehre stritten? Oder handelte es sich doch um den politisch motivierten Krieg einer Regierung unter christlich-sozialer Führung, die mit der Niederschlagung der Arbeiterbewegung vor allem auch die Auslöschung von Parlamentarismus und Demokratie verfolgte? Die Landesausstellung verschweigt, was auch bisher in das hegemonial geformte Gedächtnis des konservativen Bundeslandes nicht eingetragen war. Da ist dann auf den Info-Displays auch nicht näher von Interesse, warum bei den Frankenburger Würfelspielen im Jahr 1625 zahlreiche Bauern den Tod gefunden haben. "Aufständische müssen um ihr Leben würfeln!" Dass sie sich gegen Herrschaftsgewalt, Glaubenszwang und Unterdrückung erhoben haben, findet keinerlei Erwähnung.


Der vierte Vorwurf: Entsorgung

Doch noch schwerer wiegt, dass die nationalsozialistische Ära zur Gänze ausgeblendet ist. Die Ausstellung verliert keine Silbe über die Rolle des Bergbaus im Zuge des verbrecherischen Krieges, über das NS-Schreckensregime, das auch in Oberösterreich ungezählte Opfer forderte, über Zwangsarbeit oder gar das dichte Netz der Außenstellen des Konzentrationslagers Mauthausen. Die NS-Geschichte des Landes ist weit reichend erforscht, vor allem aber steht nicht zuletzt durch die wissenschaftliche Arbeit der Linzer Historikerin Brigitte Kepplinger seit 20 Jahren einiges Wissen über das Entprovinzialisierungs-Projekt der Nazis durch Modernisierung und Industrialisierung zur Verfügung. Eine historische Schau, die vor diesem bedeutsamen Themenkomplex die Augen verschließt, ist schlicht untragbar.

Der fünfte Vorwurf an das "Münchner Büro für Technikgeschichte": Inkompetenz

Ein Grund also, die Verantwortlichen mit dieser Irritation zu konfrontieren. Den Auftrag zur inhaltlichen Gestaltung erhielt von der Landeskulturdirektion ein Münchner Büro für Technikgeschichte, dessen Leiterin Anita Kuisle auf die sehr konkrete Anfrage zur Auslassung folgende Erklärung übermittelte: "[...] Interviews sind in der Abteilung Bergmannsleben im Original zu hören. Dort erfahren Sie auch so einiges zu den Verhältnissen bei der WTK während der NS-Zeit, wenn Sie genau hinhören. So beispielsweise über die gezielten Entlassungen von Schutzbündlern und den großen Druck auf die Arbeiter, sich der Heimwehr anzuschließen." Bitte wie? Eine Historikerin, die den NS-Terror auf österreichischem Boden nicht von den austrofaschistischen Jahren vor 1938 zu unterscheiden weiß, hat entweder von Geschichtswissenschaften keine Ahnung, oder sie verfälscht die Zusammenhänge wider besseres Wissen. In jedem der beiden Falle ist sie für diese Aufgabe fehl am Platz."

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