Kaspar Maase über Kulturkritik, Ohnmacht und Selbstverständnis des Faches (3)

Kaspar Maases (Tübingen) Plenarvortrag "In der Falle? Über Kulturkritik, Ohnmacht und Selbst-Verständnis volkskundlich-kulturwissenschaftlicher Medienforschung" drehte sich über die Wandlungen des Faches und dem Fremdwerden der eigenen Annäherung an das Kongressthema.


Maase
Ausgehend von einer Kulturkritik, wie sie noch in den 70er Jahren im Fach vertreten wurden, die ganz offensichtlich von einer kulturkritischen Position ausging will er seine Irritation über das Abhandenkommen der Kulturkritik zu bilanzieren.

Er berichtete über jenen demokratischen Impetus einer volkskundlich-kulturwissenschaftlichen Medienkritik, die mit einer großen Selbstverständlichkeit zu wissen dachte, was die Mehrheit der Bevölkerung denken und sehen möchte bzw. was deren eigentlichen Interessen sein würden.

Einerseits irritierte ihn dieser Impetus, andererseits ist der Ausgangspunkt seiner Positionierung, dass heutzutage in der Forschung eine kritische Distanz kaum mehr einen Stellenwert zukommen würde und allenfalls nur noch als Privatmeinung vorkäme.

Die Ursache sei in einem Paradigmenwechsel des Faches begründet.
"Wir sitzen in einer professionellen Falle". Sein Anliegen ist ein Wiedereinstieg in die Medienkritik.

1. Paradigmenwechsel.
Die Ursache für diese professionelle Falle verortet er in jenem Paradigmenwechsel den der mit Carola Lipps Analyse zur Hinwendung einer subjektzentrierten Fragestellung bzw. Klara Löfflers Diagnose der fachlichen Nahe zum Subjekt oder der Subjektorientierung begründet. Der hier seit den 70er Jahren vollzogene Subjekt- und Akteursorientierung sei zum "Dreh- und Angelpunkt des Fachverständnisses" erwachsen.
In diesem Zusammenhang führt er als verstärkendes Merkmal das (vermeintliche) Alleinstellungsmerkmal des Faches an, die ethnographische Methode, als zentrale Erhebungsmethode.
Seit den 1980er Jahre habe sich schließlich ein Slogan als Selbstverständnis kulturwissenschaftlicher Medienforschung herauskristallisiert. Der Slogan "Die anderen untersuchen was die Medien mit den Menschen machen, wir untersuchen was der Mensch mit den Medien macht". Das verspreche mehr als gehalten werde.
Beispielsweise werde einer der populären bzw. sogoar popularen Medienkritik ausgewichen. Zu dieser Unterscheidung vgl (Warneken).
Konkret meinte er jene populäre bzw. populare Version der Medienkritik. die er im Kontext der Erklärungsmodelle für Gewaltausbrüche als hegemonial ansieht. Aber hier fremdele die Alltagsforschung und mache einen großen Bogen um dieses Feld.

Er fragte warum die populäre/populare Medienkritik im Kontext von moderner Massenkultur, nämlich, dass soviele Menschen die beobachtbare gesellschaftliche Gewalt im Zusammenhang von medialer Gewalt sehen würde. Warum ist es im Fach kein Thema, dass sich viele Leute herausgefordert fühlen von dem Medienangebot? Da man einer solchen Diagnose skeptisch gegenüberstände, würde man darum einen großen Bogen machen.
So sei man skeptisch gegen jede Wendung, wenn sie nur nach Kulturkritik rieche. Demgegenüber findet er Kulturkkritik als zentral und unverzichtbar für das Fach an. Kaspar Maase erachtet das Fehlen einer ethnographischen Kulturkritik als problematisch und suchte in der fachspezifische Perspektive nach den Gründen für das Fehlen von Kulturkritik. In Anlehnung an Martin Scharfe sieht er eine Falle darin, dass es die Volkskunde mit dem Positiven habe.

Worauf er allerdings nicht einging, war wo denn der normative Ort sei, von dem aus die Kulturkritik zu erfolgen habe.

Ferner kritisierte er eine vielfach beobachtbare Einstellung als Verteidiger der Popularkultur. "Wer muss denn noch verteidigt werden? Wo werde denn heute noch abgewertet?"

2. "Was tun?" (Lenin?)
Ausgehend von Rortys Sichtweise auf die Bedeutung einer konstruktivistischen Perspektive für die Frage nach Parteilichkeit machte er Vorschläge für eine kritische Kompetenzerweiteurng des Themenspektrums des Faches:
  • a. Es gelte künftig dickere Bretter zu bohren, in dem man Praktiken und Diskurse der populären Medienkritik in den Blick nehme.
  • b. Ethnographie der Medienproduktion
  • c. Psychologische, Neurobiologische Medienforschung müsse zur Kenntnis genommen werden.
    Es genüge nicht nur Pfeiffer, Spitzer oder Kuncik zu bezweifeln. Vielmehr müsse man sich mit diesen Positionen auseinanderzusetzen
  • d. Als vielversprechendsten Ankerpunkt nannte er die Empirische Bildungtheorie (Anwendungspotenzial) etwa im Stile eines Roland Reichenbach
Kaspar Maase versuchte in seinem Vortrag zu provozieren. Dabei gibt es sicherlich einiges Bedenkenswertes. Es bleibt aber einiges auch fraglich:
Etwa in Bezug auf die Legitimität von Mediennutzung, wo im Kontext von Internet ganz andere Befunde zu haben sind als im Bereich von Fernsehen. Auseinandersetzungen über die legitime Nutzung des Internet ergeben hier doch ein anderes Bild.

Auch die Notwendigkeit von Kulturkritik wäre nochmals auf die Geschichte dieser Debatte zu fragen. Ein bisschen erinnert eine solche Auseinandersetzung an die Debatte aus den 70er Jahren über die Notwendigkeit eines normativen Kulturbegriffs vor dem Hintergrund der beginnenden Auseinandersetzung um den weiten Kulturbegriff. Vielleicht könnte man auch von der Debatte in den Cultural Studies (Populismusvorwurf an John Fiske) lernen und die Frage nach der Gewalt in Computerspielen nicht darauf reduzieren, ob Computerspiele gewalttätig macht, sondern als Gegenstand des Faches auch jene Perspektive einnimmt, die fragt, welche Funktion solche Debatten haben. Nämlich die Metaebene der Kritik der Kulturkritik und eben auch sagt, dass die Kritik an Computerspielen etwa verdeckt, dass wir es hier mit Männlichkeitskonzepten zu tun haben und warum die nicht in der Kritik stehen.

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