"Hier bloggt der Chef" - Corporate Blogs auf dem Vormarsch?
lautet die Überschrift eines Artikels von Jean-Michel Berg in der Süddeutsche Zeitung , (2.11.2007)
über "Unternehmen im Netz", die entdeckt haben, dass das Weblog-Medienformat durchaus für ihre eigenen Zwecke quasi "eigensinnig" (angesichts der Erzählungen über Gegenöffentlichkeit und Bloggen" (1) um in der Terminologie der Nachfolgedisziplinen der Volkskunde zu argumentieren:
"Neben der obligatorischen Internetpräsenz haben Unternehmen das Bloggen entdeckt. Zählt also die Meinung des Verbrauchers doch?
(...)
Auf diese sogenannte Blogosphäre haben die Netz-Utopisten zuletzt ihre Hoffnungen gesetzt. Wer einen Internetzugang hat, kann zu jedem Thema seine Meinung äußern; staatliche Zensur ist kaum möglich, und jede Stimme hat potentiell das gleiche Gewicht. Das mag noch kein idealer herrschaftsfreier Diskurs sein, aber das alte Konzept vom Bürgerjournalismus konnte sich nie stärker verwirklichen als hier. Blogs bilden eine Gegenöffentlichkeit - in manchen Ländern gar die einzig relevante - , und sie haben eine große Leserschaft.
In der westlichen Welt haben bislang vor allem Großkonzerne ihre Macht zu spüren bekommen; nun versuchen sie, die Deutungshoheit über ihre Unternehmungen zurückzugewinnen. Zur obligatorischen Internetpräsenz ist der "Corporate Blog" hinzugekommen. Bei General Motors etwa bloggt der Vize-Chairman Bob Lutz, bei Daimler schreiben seit einigen Tagen die Mitarbeiter.
Dass die Unternehmen sich in Webtagebüchern an die Verbraucher wenden, sich auf eine gemeinsame Ebene begeben, das klingt nach einer frohen Botschaft. Der Daimler-Blog verspricht sogar den "Einblick in einen Konzern". Zählt also die Meinung des Verbrauchers doch? Kann er hier auf die Politik des Unternehmens einwirken, wenn es um Umweltschutz oder Kinderarbeit geht?"
Mit dieser Tendenz zu den Corporate Blogs ist der Autor unzufrieden:
"Man kann den Unternehmen nicht einmal vorwerfen, dass sie ihre privaten Interessen bedienen. Ärgerlich ist aber, wenn sie dem Ganzen einen öffentlichen Anschein geben. Aber so ärgerlich nun auch wieder nicht: Denn solange hier der Schein regiert, solange keine wirklichen Einblicke gewährt und keine wirkliche Diskussion stattfindet, werden solche Blogs auch kaum Aufmerksamkeit finden. Und Aufmerksamkeit ist nun mal die Währung des öffentlichen Raumes."
(1) Vgl. hierzu auch: Tobler, Beatrice: Das Internet an den Graswurzeln packen … Zur Tragweite von Graswurzelbewegungen im Internet am Beispiel von Weblogs. In: Hengartner, Thomas/Moser, Johannes (Hg.): Grenzen & Differenzen. Zur Macht sozialer und kultureller Grenzziehungen. Leipzig 2006, S. 675-683.
über "Unternehmen im Netz", die entdeckt haben, dass das Weblog-Medienformat durchaus für ihre eigenen Zwecke quasi "eigensinnig" (angesichts der Erzählungen über Gegenöffentlichkeit und Bloggen" (1) um in der Terminologie der Nachfolgedisziplinen der Volkskunde zu argumentieren:
"Neben der obligatorischen Internetpräsenz haben Unternehmen das Bloggen entdeckt. Zählt also die Meinung des Verbrauchers doch?
(...)
Auf diese sogenannte Blogosphäre haben die Netz-Utopisten zuletzt ihre Hoffnungen gesetzt. Wer einen Internetzugang hat, kann zu jedem Thema seine Meinung äußern; staatliche Zensur ist kaum möglich, und jede Stimme hat potentiell das gleiche Gewicht. Das mag noch kein idealer herrschaftsfreier Diskurs sein, aber das alte Konzept vom Bürgerjournalismus konnte sich nie stärker verwirklichen als hier. Blogs bilden eine Gegenöffentlichkeit - in manchen Ländern gar die einzig relevante - , und sie haben eine große Leserschaft.
In der westlichen Welt haben bislang vor allem Großkonzerne ihre Macht zu spüren bekommen; nun versuchen sie, die Deutungshoheit über ihre Unternehmungen zurückzugewinnen. Zur obligatorischen Internetpräsenz ist der "Corporate Blog" hinzugekommen. Bei General Motors etwa bloggt der Vize-Chairman Bob Lutz, bei Daimler schreiben seit einigen Tagen die Mitarbeiter.
Dass die Unternehmen sich in Webtagebüchern an die Verbraucher wenden, sich auf eine gemeinsame Ebene begeben, das klingt nach einer frohen Botschaft. Der Daimler-Blog verspricht sogar den "Einblick in einen Konzern". Zählt also die Meinung des Verbrauchers doch? Kann er hier auf die Politik des Unternehmens einwirken, wenn es um Umweltschutz oder Kinderarbeit geht?"
Mit dieser Tendenz zu den Corporate Blogs ist der Autor unzufrieden:
"Man kann den Unternehmen nicht einmal vorwerfen, dass sie ihre privaten Interessen bedienen. Ärgerlich ist aber, wenn sie dem Ganzen einen öffentlichen Anschein geben. Aber so ärgerlich nun auch wieder nicht: Denn solange hier der Schein regiert, solange keine wirklichen Einblicke gewährt und keine wirkliche Diskussion stattfindet, werden solche Blogs auch kaum Aufmerksamkeit finden. Und Aufmerksamkeit ist nun mal die Währung des öffentlichen Raumes."
(1) Vgl. hierzu auch: Tobler, Beatrice: Das Internet an den Graswurzeln packen … Zur Tragweite von Graswurzelbewegungen im Internet am Beispiel von Weblogs. In: Hengartner, Thomas/Moser, Johannes (Hg.): Grenzen & Differenzen. Zur Macht sozialer und kultureller Grenzziehungen. Leipzig 2006, S. 675-683.
kschoenberger - 5. Nov, 12:51
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