"Popular Culture" = Alltagskultur
Der Juraprofessor Klaus F. Röhl führt einen Blog zum Thema Rechtssoziologie. Darin diskutiert er jüngst (26.06.2008) die Frage wie denn wie "popular culture" bzw. "Popular Legal Culture" übersetzt werden soll und liefert en passant eine Geschichte der Volkskunde:
"Aus den Themen »Rechtskenntnis«, »Rechtsbewußtsein« und »Einstellung der Bevölkerung zum Recht« ist unter dem Einfluss der sog. cultural studies in den letzten Jahrzehnten das Thema »Popular Legal Culture« geworden. Es fehlt an einer passenden deutschen Übersetzung. Zwar wird in der deutschen wissenschaftlichen Literatur der Ausdruck »Populärkultur« verwendet. Man könnte also von populärer Rechtskultur sprechen. Aber »populär« hat im Deutschen unerwünschte Konnotationen; es klingt nach »populistisch« oder nach »Pop« im Sinne von Unterhaltung. Die richtige Übersetzung wäre »Rechtliche Volkskunde«. Die Volkskunde[1] war Vorläufer der Kulturwissenschaft. Volkskunde als Begriff kam um 1800 im Verwaltungsschrifttum des aufgeklärten Absolutismus auf und wurde von Statistikern, Geographen und Reiseschriftstellern verwendet. Man verstand darunter eine empirische Charakter-, Menschen- und Völkerkunde. »Volk« war nicht mehr als Land und Leute. Als Begründer einer wissenschaftlichen Volkskunde gilt 1853 Wilhelm Heinrich Riehl. Von ihm erschienen 1851-54 eine »Naturgeschichte des Volkes als Grundlage einer deutschen Social-Politik« in drei Bänden sowie 1853 das Buch »Land und Leute (Volkskundliche Studien)«. Der Volksbegriff war jedoch von der Romantik mit literarischen, psychologischen und nationalen Konnotationen befrachtet worden. Savigny sprach vom »Volksgeist« als Schöpfer des Rechts und die Brüder Grimm sammelten Volkslieder und Volksmärchen. Den Nationalsozialisten fiel es nicht schwer, die Volkskunde auf eine »rassische Grundlage« zu stellen. Von diesem Mißbrauch hat sich das Fach nach dem Kriege erst erholt, nachdem es »Abschied vom Volksleben« (Bausinger) genommen hatte. Der Themenschwerpunkt verschob sich vom »Volk« auf Lebenswelt, Alltag und Kultur. An die Stelle der Volkskunde trat eine empirische Kulturwissenschaft, Kulturanthropologie oder Europäische Ethnologie. Es gab auch eine »Rechtliche Volkskunde«. In Österreich und der Schweiz pflegt man sie bis heute. Sie ist jedoch rückwärts gewandt und in die Nähe der Rechtsarchäologie und (historischen) Rechtsikonographie gerückt.[2] Sie interessiert sich für den rechtlichen Gehalt alter Sagen, für rechtliches Brauchtum, sucht in der Krinimalgeschichte oder nach dem »Recht der kleinen Leute«[3]. Unter diesen Umständen übersetze ich »popular culture« im rechtssoziologischen Zusammenhang mit »Alltagskultur«. Für »popular legal culture« finde ich kein geeignetes Substantiv. Daher rede ich von der Alltagskultur des Rechts oder übernehme - der sprachlichen Variation halber - den englischen Ausdruck."
Zu den Fußnboten
Auf die JuristInnen ist halt Verlass ....
"Aus den Themen »Rechtskenntnis«, »Rechtsbewußtsein« und »Einstellung der Bevölkerung zum Recht« ist unter dem Einfluss der sog. cultural studies in den letzten Jahrzehnten das Thema »Popular Legal Culture« geworden. Es fehlt an einer passenden deutschen Übersetzung. Zwar wird in der deutschen wissenschaftlichen Literatur der Ausdruck »Populärkultur« verwendet. Man könnte also von populärer Rechtskultur sprechen. Aber »populär« hat im Deutschen unerwünschte Konnotationen; es klingt nach »populistisch« oder nach »Pop« im Sinne von Unterhaltung. Die richtige Übersetzung wäre »Rechtliche Volkskunde«. Die Volkskunde[1] war Vorläufer der Kulturwissenschaft. Volkskunde als Begriff kam um 1800 im Verwaltungsschrifttum des aufgeklärten Absolutismus auf und wurde von Statistikern, Geographen und Reiseschriftstellern verwendet. Man verstand darunter eine empirische Charakter-, Menschen- und Völkerkunde. »Volk« war nicht mehr als Land und Leute. Als Begründer einer wissenschaftlichen Volkskunde gilt 1853 Wilhelm Heinrich Riehl. Von ihm erschienen 1851-54 eine »Naturgeschichte des Volkes als Grundlage einer deutschen Social-Politik« in drei Bänden sowie 1853 das Buch »Land und Leute (Volkskundliche Studien)«. Der Volksbegriff war jedoch von der Romantik mit literarischen, psychologischen und nationalen Konnotationen befrachtet worden. Savigny sprach vom »Volksgeist« als Schöpfer des Rechts und die Brüder Grimm sammelten Volkslieder und Volksmärchen. Den Nationalsozialisten fiel es nicht schwer, die Volkskunde auf eine »rassische Grundlage« zu stellen. Von diesem Mißbrauch hat sich das Fach nach dem Kriege erst erholt, nachdem es »Abschied vom Volksleben« (Bausinger) genommen hatte. Der Themenschwerpunkt verschob sich vom »Volk« auf Lebenswelt, Alltag und Kultur. An die Stelle der Volkskunde trat eine empirische Kulturwissenschaft, Kulturanthropologie oder Europäische Ethnologie. Es gab auch eine »Rechtliche Volkskunde«. In Österreich und der Schweiz pflegt man sie bis heute. Sie ist jedoch rückwärts gewandt und in die Nähe der Rechtsarchäologie und (historischen) Rechtsikonographie gerückt.[2] Sie interessiert sich für den rechtlichen Gehalt alter Sagen, für rechtliches Brauchtum, sucht in der Krinimalgeschichte oder nach dem »Recht der kleinen Leute«[3]. Unter diesen Umständen übersetze ich »popular culture« im rechtssoziologischen Zusammenhang mit »Alltagskultur«. Für »popular legal culture« finde ich kein geeignetes Substantiv. Daher rede ich von der Alltagskultur des Rechts oder übernehme - der sprachlichen Variation halber - den englischen Ausdruck."
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Auf die JuristInnen ist halt Verlass ....
kschoenberger - 4. Jul, 20:04
Kulturelle Unterschiede