Bonn: Sektion Neue Medien und Alltagskultur

Bei der Bonner Gesellschaft für Volkskunde und Kulturwissenschaften findet sich (neuerdings?) eine "Sektion Neue Medien und Alltagskultur", die wir aber nur durch Zufall gefunden haben. Es ist erfreulich, dass sich das Thema nunmehr auch an anderen Instituten zu etablieren vermag. Die Arbeit der Sektion wird mittels eines programmatischen Textes umrissen, der zunächst die Unterteilung der 90er Jahre in online/offline wieder aufmacht (1):

"Die Volkskunde/Europäische Ethnologie betrachtet Umgangsformen mit Technik und Information als kulturelle Phänomene, die spezifischen Erwartungshaltungen und Kulturmustern unterliegen. Communities, virtuelle Unternehmen und Netzwerke bilden neue Forschungsfelder im Spannungsfeld zwischen regionaler Kultur und der Enträumlichung des Internet."

Das ist in der Tat eine spannende Frage. Dabei wäre allerdings ebenfalls zu prüfen, inwiefern das Internet nicht auch zu einer neuen Art von Lokalität beiträgt.

Als Arbeitsprogramm wird formuliert:

"Im Rahmen dieser Sektion ist bisher geplant, folgende Fragestellungen zu behandeln: Welche ethnografischen Methoden eignen sich, um die neue Arbeits- und Alltagskultur zu beschreiben und analysieren? Was für Strategien und Wertzuschreibungen entwickeln Akteure im Umgang mit der sich in dauerhaftem Fortschritt befindenden Technik? Wie wirken sich die neuen Formen der Kommunikation und Kooperation wiederum auf das Alltagsleben der Akteure aus? Welche Folgen hat der “Digital Divide”, also die sich stark abzeichnenden gesellschaftlichen Differenzierungen im Umgang mit technischem Fortschritt im Hinblick auf soziale Gruppe, Bildung, Alter und Sprache? Untersucht werden sollen auch die Auswirkungen, die die aktuellen Interessenskonflikte um Softwarepatente, Digital Rights Management und Datenschutz haben."

Wenn man über die Begriffswahl "Medien- und Informationsgesellschaft" auch streiten kann, so ist erfreulich, dass die eingangs formulierte Grenzziehung online/offline weiter unten im Text implizit wieder relativiert wird (1):

"Charakteristisch für die moderne Medien- und Informationsgesellschaft ist die umfassende Integration der so genannten neuen Medien in die Arbeits- und Alltagskultur. Der Umgang mit Internet, Mobiltelefonen und Computern prägt und verändert die alltägliche Erfahrungswelt breiter Bevölkerungsschichten und ist damit Gegenstand und Herausforderung für die kulturwissenschaftliche Forschung."

Wir freuen uns über diese Entwicklung, oblgleich solche Sektionsbildungen in akademischen Gesellschaften oft nur der erste Schritt sein können. Im Zuge des Veralltäglichungsprozesse neuer Informations- und Kommunikationstechnik wird es nämlich langsam Zeit, dass diese Themen in den Nachfolgedisziplinen der Volkskunde selbstverständlicher werden. Es ist aber wie überall in der Gesellschaft, die eigene kulturelle Distanz führt dazu, dass die Beschäftigung mit Neuen Medien im Fach noch immer als Spezialistentum angesehen wird. Welcome!


(1) vgl. grundsätzlich dazu: Klaus Schönberger: Online – offline.
Persistenz – Auflösung – Rekombination – alte und neue Grenzen und Differenzen in der Nutzung neuer Informations- und Kommunikationstechnik. Ein Überblick zum Forschungsstand der kulturwissenschaftlichen Internet-Forschung. Erscheint 2006 in:
Hengartner, Thomas/Moser, Johannes: Grenzen und Differenzen. Zur Macht sozialer und kultureller Grenzziehungen. Leipzig: Leipziger Universitätsverlag.

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Deutungsmuster und Erzählstrategien bei der Bewältigung beruflicher Krisenerfahrungen In: Seifert, Manfred/Götz, Irene/Huber, Birgit (Hg.): Flexible Biographien. Horizonte und Brüche im Arbeitsleben der Gegenwart. Frankfurt u. a. 2007, S. 167-184.








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