Süddeutsche über "infam niedrige Besoldungsklasse"

Was gesagt gehört, muss man mal sagen. In der heutigen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung (08.02. 2008), weist Malte Dahlgrün auf die infam niedrige Besoldungklasse W hin, die dazu führt, dass Schullehrer mehr verdienen als Universitätsprofessoren. Soweit so gut und so richtig. Und mit der Exezellenz hat das alles gar nichts zu tun. Aber das ist ja politisch so gewollt.

Mindestens genauso infam und ungeheuerlich ist der gegemwärtige Umgang mit prekär beschäftigten WissenschaftlerInnen im Rahmen von TVL-Zeitverträgen.

Was passiert gegenwärtig?
Die Universitäten versuchen bei der Einstellung des wissenschaftlichen Personals erfahrene und qualifizierte wissenschaftliche MitarbeiterInnen auf ein Lohnniveau zu drücken, dass noch ungeheuerlicher als das W1 oder W2-Niveau der ProfessorInnen ist.

Dass man mit Angestellten ohne Macht und Lobby nicht sehr pfleglich umzugehen gewillt ist, wissen wir schon von den Ärzten unterhalb der Oberarzt-Position in den Kliniken.

Und was nun passiert ist schlichtweg eine ähnliche Katastrophe. Noch nicht ganz klar ist, inwieweit das am durch Verdi ausgehandelten Tarifvertrag TVL liegt, oder inwiefern hier die Universitätspersonalabteilungen ihre jeweils eigenen Auslegungsversuche unternehmen.

Der Hintergrund ist der, dass jede(r) der/die nicht kontinuierlich an einer Uni oder ähnlichen Institution angestellt ist (was bei Zeitverträgen eben die Regel ist), bei jedem neuen Vertrag jeweils als Berufsanfänger auf TVL-1 zurückgestuft wird. Dass heisst, dass der Doktorand ohne Berufserfahrung gleichgestellt wird, mit dem habilitierten Wissenschaftler.

Die Art und Weise, wie WissenschaftlerInnen bei der Einstufung dann auch noch von einzelnen verbeamteten KollegInnen in Personalabteilungen deutscher Universitäten behandelt oder sagen wir besser misshandelt werden, ist gleichermaßen schaurig. Da wird auch unsereins gelegentlich von Privatisierungsphantasien heimgesucht .

Und wenn dann auch noch Personalräte wie an der Hamburger Uni eine Personalpolitik betreiben, die solch lebensfernen Regeln gehorchen wie das Promovierte nur noch angestellt werden dürfen, wenn sie auf ganze Stellen gehen, selbst wenn sie das gar nicht können (Familie!) oder wollen, dann müsste doch dem Letzten klar werden, dass ihm niemand hilft, außer wenn er sich selbst bewegt.

Es ist wahrscheinlich eine Illusion, dass es gelingen kann, überaus prekäre WissenschaftlerInnen und verbeamteten ProfessorInnen (die ihre Möglichkeiten - von löblichen Ausnahmen abgesehen - bei weitem nie ausnutzen) zu einer gemeinsamen Verabredung zu gewinnen, aber die Hoffnung stirbt zuletzt ... Verlassen sollte man sich darauf allerdings nicht.

Und erst wenn man sich selbst organisiert, wird man auch ernst genommen ...
Lisa Rosa - 12. Feb, 15:17

Empörend!

Ja, das ist unglaublich, wie hierzulande die Forschung und Lehre behandelt werden. Ich höre zum ersten Mal von den W-Gehältern. Schon ziemlich derbe. Aber ein bißchen schmunzeln muß ich schon, wenn ich in dem zitierten Artikel lesen muß, daß die Empörung vor allem dadurch plausibel gemacht werden muß, daß der Professor jetzt nur noch soviel verdient wie ein Realschullehrer! Das gehört sich wirklich nicht! Hierarchie und Ordnung in der Lehre muß bleiben, wie sie ist - wo kämen wir denn dahin! Ich hätte Argumente, die sich nicht auf solch blöde Standesprivilegien-Allüren wie in dem angegebenen Artikel stützen, überzeugender gefunden. Sind denn nicht gleichzeitig - so der Volksmund - die Lehrer an den Schulen vollkommen überbezahlt? Also hält sich für mich als ziemlich abgewetzte A-13-Lehrerin - Lehre: 25-30 Unterrichtsstunden pro Woche - mit 54 Jahren meine Solidarität in Grenzen. Und übrigens: Die automatische Beförderung zum Oberstudienrat - die gibt es schon seit fast 20 Jahren nicht mehr.
Trotzdem: Natürlich habt ihr Recht! Kein Wunder, daß die Guten alle ins Ausland gehen.

kschoenberger - 16. Feb, 22:17

Solidarität

Das Eine ist die Frage der Bezahlung. Und man kann ja zu den ProfessorInnen-Gehältern durchaus unterschiedlicher Meinung sein. Der eine Punkt ist aber eine alte Erfahrung von sozialen Bewegungen, wenn es in einem Bereich der einen Gruppe an den Kragen geht, dann ist die andere auch bald dran. Das heißt, es macht wahrscheinlich mehr Sinn, sich nicht darüber aufzuregen, dass wir es hier manchmal auch mit einem Klagen auf recht hohem Niveau zu tun haben.
Der zweite Punkt hingegen ist die umfassende Prekarisierung. Davon sind inzwischen im übrigen auch zunehmend ProfessorInnen betroffen. Doch ein nach wie vor zentraler Unterschied zwischen wissenschaftlichen MitarbeiterInnen und festangestelltem Personal ist die überwiegende Prekarisierung der ersteren. Hier findet gegenwärtig ein permanenter sozialer Angriff statt, dessen Ausmaß sich offensichtlich viele immer noch nicht vorstellen können. Dass dies eine gesellschaftliche Tendenz ist, kann ja nur heißen, sich gemeinsam zur Wehr zu setzen. Ich kenne im übrigen immer mehr, die anfangen richtig sauer zu werden.

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