CfP: Vor Google – Suchmaschinen im analogen Zeitalter

Eine vergleichsweise lange Vorlaufzeit hat dieser Workshop-Call:

Workshop in Wien, Fr/Sa 10./11.10.2008
Deadline für Einsendungen: 31.10.2007

Call for Papers: Vor Google – Suchmaschinen im analogen Zeitalter

Google gilt als die mächtigste Marke der Welt, noch vor Microsoft und Coca-Cola. Es wundert nicht, dass die Wichtigkeit, die Suchmaschinen in der heutigen Informationsgesellschaft zukommt, dazu führt, dass sie zu Objekten von Sachbüchern (J. Battelle; D. Vise/M. Malseed) und wissenschaftlichen Werken (D. Lewandowski) werden.

Der Bedarf nach Erkenntnissen über die Funktionsweise und die Entstehung von Suchmaschinen ist groß; der projektierte Workshop möchte sich dem Phänomen der Suchmaschinen auf historische Weise annähern: ForscherInnen wie z.B. Kultur- und MedienwissenschafterInnen, LiteraturwissenschafterInnen und HistorikerInnen werden mit diesem Call for Paper dazu eingeladen, sich mit der Vorgeschichte von Suchmaschinen auseinanderzusetzen. Dies verspricht umso produktiver zu werden, als es dazu bereits einige exemplarische Studien gibt, z.B. zur Geschichte der Karteikarte (M. Krajewski), zum Buchdruck als neuer Informations- und Kommunikationstechnologie (M. Giesecke), zu Buchregistern und Marginalien (T. Corns, H. Zedelmaier), zu den frühneuzeitlichen Adressbüros (J. Stagl, P. Burke) und zu den Zeitungsauschnittsbüros (A. te Heesen).

Als mögliche Fragestellungen können u.a. genannt werden:

*) Die Organisationsform der Einrichtungen: Handelt es sich um privatwirtschaftlich orientierte, miteinander konkurrierende oder mit einem Privileg versehene Unternehmen? Oder aber um staatliche Einrichtungen? Man denke nur an die aktuelle Debatte um die sich noch in ihren Anfängen befindliche europäische öffentlich-rechtliche Suchmaschine „Quaero“, die es mit Google aufnehmen sollte, deren Entstehung aber mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist.

*) Erkenntnistheorie der Suchmaschine: Suchmaschinen zeichnen sich dadurch aus, dass sie Informationen zur Verfügung stellen. Die Informationen sind jedoch nicht vorgängig vorhanden, vielmehr werden sie in ihrer jeweiligen Form erst durch die spezifische Einrichtung der Suchmaschinen hergestellt. Außerdem konstituieren sie das Wissens als objektförmig: nur jenes Wissen ist relevant, das besessen und getauscht werden kann. Anhand der Suchmaschinen lässt sich damit auch eine Geschichte von Wissens- und Informationsbegriffen nachzeichnen, welche die ökonomische Dimension epistemologischer Kategorien zum Vorschein kommen lässt. Auf das Verhältnis zwischen der jeweiligen historischen Ausprägung (von der humanistischen „historia“ zu Claude Shannons „Information“) und ihrer Organisationsform soll besonderes Augenmerk gelenkt werden.

*) Einbettung in Mediensysteme: Wie lässt sich das Verhältnis vormoderner Suchmaschinen zu anderen Medien, namentlich der frühneuzeitlichen Post – dem laut Wolfgang Behringer „erste[n] Internet“ – beschreiben?

*) Konkurrenz: Zu welchen anderen, traditionellen Techniken der Informationsvermittlung und -recherche treten neu auftauchende Suchtechnologien in Konkurrenz? Welche Konflikte entstehen aus der Konfrontation von Suchsystemen, die auf der Speicherkapazität des menschlichen Gehirns basieren mit jenen, die sich des Mediums Papier bedienen?

*) Das Spannungsfeld zwischen Öffentlichkeit und Privatheit: Wurde es bei frühneuzeitlichen Einrichtungen wie z.B. Adressbüros als anstößig empfunden, bislang vor allem durch persönliche Netzwerke und Klientelbeziehungen vermittelte Dienstleistungen öffentlich und anonym zugänglich zu machen, so gilt aktuellen Suchmaschinen zuweilen der Vorwurf, sie würden durch die Durchsuchung von E-Mails (G-Mail) oder der eigenen Festplatte (Google Desktop) die Privatsphäre verletzen.

*) Utopien: An neue Medien knüpfen oft Utopien an, die von einer durch neue Technologien bewirkten besseren Welt träumen. Ein Phantasma, das die Suchmaschinen im Laufe ihrer Geschichte stets zu begleiten scheint, ist der Traum von der Erfassung der gesamten Welt. Sie tendieren dazu, sich als ausschließliche Quellen des Wissens zu setzen: „quod non est in google, non est in mundo“. Welche Formen nahmen solche Utopien der totalen und instantanen Verfügbarkeit des Wissens jeweils an, inwieweit waren sie an zeitspezifische Technologien (Buchdruck, Mikrofilm, Computer) gekoppelt, und welche blinden Flecken wiesen sie auf?

*) Suchmaschine und Kontrolle: Google China oder staatliche Begehrlichkeiten nach den Logfiles abgespeicherter Suchen können als Beispiele dafür genannt werden, wie Suchmaschinen gouvernementale Aufgaben übernehmen oder übernehmen können: Diese Tendenz lässt sich auch bei vormodernen Suchmaschinen feststellen; Théophraste Renaudots „Bureau d’adresse“ diente z.B. als Meldestelle für Fremde, die Brüder Fielding wiederum versuchten, die Techniken ihres „Universal Register Office“ zur Verbrechensbekämpfung einzusetzen, die habsburgischen „Fragämter“ veröffentlichten Steckbriefe, – es gibt wiederholte Versuche, Adressbüros im Sinne einer guten „Policey“ einzusetzen

Interessierte ReferentInnen bitten wir, bis 31.10.2007 ein Abstract im Umfang von circa 2-3000 Zeichen sowie einen kurzen Lebenslauf mit Angaben über Forschungsschwerpunkte und Publikationen (nicht mehr als 2000 Zeichen) an folgende E-Mail-Adresse zu schicken:
vor-google.geschichte@univie.ac.at

Der Workshop soll am 10. und 11. Oktober 2008 in Wien stattfinden; für Reisekosten und Unterbringung (zwei Nächte) werden Förderungen beantragt.

Tagungshomepage: http://www.univie.ac.at/iwk/vor-Google/

Konzeption:
Thomas Brandstetter, Institut für Philosophie, Univ. Wien
Anton Tantner, Institut für Geschichte, Univ. Wien

Organisationsbüro:
Thomas Hübel
Institut für Wissenschaft und Kunst
Berggasse 17/1
A-1090 Wien
Tel: 0043 1 317 43 42
http://www.univie.ac.at/iwk/
 

Mittendrin ...

hingegen sind nun auch die Mainzer VolkskundlerInnen bzw. KulturanthropologInnen. Seit Mai wird dort unter dem Titel "Mainz. Report Alltag - Schwarzes Brett der Volkskunde" gebloggt ("Im Moment befindet sich der Auftritt noch im Aufbau.")
Dazu heißt es:

"Diese Seite ist ein studentisches Projekt, welches die Kommunikation unter den Studenten der Abteilung Kulturanthropologie/Volkskunde der Johannes Gutenberg-Universität Mainz verbessern soll."

Die Mainzer Studierenden sind sowieso im Vorfeld des Mainzer dgv-Kongresses gerade sehr rührig. Sie haben an alle ReferentInnen einen Fragebogen verschickt und wollen dazu noch Interviews machen und die dann als Podcast online verfügbar machen.

Update, 28.6. 2007:
Darüber hinaus suchen die Mainzer Studierenden auch noch BloggerInnen von anderen Instituten, die mit ihnen zusammen ein studentisches Blog-Projekt für die Vorbereitung und während des Kongresses durchführen.

Da sind wir aber gespannt.
 

Nebenbei...

... geneigter Leser: Auch dieses Blog ist in China nicht erreichbar.
 

kommunikation@gesellschaft: Theo Röhle über personalisierte Online-Suche als Datenlieferant

In der von Jan Schmidt, Klaus Schönberger und Christian Stegbauer herausgegebenen Online-Zeitschrift "kommunikation@gesellschaft - Journal für alte und neue Medien aus soziologischer, kulturanthropologischer und kommunikationswissenschaftlicher Perspektive" erschien nun ein Beitrag von Theo Röhle über Suchmaschinen, der hierüber auch auf dem II. Kongress Kulturwissenschaftliche Technikforschung referierte.

Röhle, Theo: „Think of it first as an advertising system“: Personalisierte Online-Suche als Datenlieferant des Marketings. In: kommunikation@gesellschaft 8 (2007) Beitrag 1. Online-Dokument unter http://www.soz.uni-frankfurt.de/K.G/B1_2007_Roehle.pdf


Zusammenfassung

Suchmaschinen gehören seit langem zu den wichtigsten Werbeträgern im Netz und es wird mittlerweile offen zugestanden, dass die gezielte Vermarktung von Werbeplätzen sich zur Kernaufgabe der Suchmaschinenbetreiber entwickelt hat. Um dem Ruf nach relevanteren Suchergebnissen nachkommen zu können, binden neue Formen der personalisierten Suche immer weitere Bereiche des Nutzerverhaltens in den Suchprozess ein, gleichzeitig schaffen die gesammelten Daten aber auch die Grundlage für eine noch engere Verzahnung ökonomi­scher Interessen mit dem persönlichen Nutzungskontext. Mit Bezug auf aktuelle Theorie­bildung aus den „Surveillance studies“ diskutiert der Beitrag die Rolle der personalisierten Suche als Bindeglied zwischen Nutzer und Werbung. Sowohl die Entwicklung der Online-Werbung als auch die technischen Grundlagen der personalisierten Suche werden skizziert, um schließlich an zwei konkreten Beispielen zu erläutern, welche Daten bei der personali­sierten Suche erhoben werden und wie diese zu Werbezwecken verwendet werden können. Dabei wird deutlich, dass die zunächst zur Verbesserung der Suchergebnisse erhobenen Nut­zerinformationen einem immer stärkeren kommerziellen Verwertungsdruck ausgesetzt sind.

Diskutiert werden kann der Beitrag im eigens hierfür eingerichteten k@g-Blog
 

Eine differenzierte Betrachtung des Themas "Killerspiele"

findet sich heute in Telepolis (14.06.2007) von Erika Berthold und Eggert Holling: "Killerspielalarm in Deutschland - Das schwierige Geschäft der Alterseinstufung und die Sehnsucht nach Eindeutigkeit". Eingangs heißt es:

"Als ehrenamtlich Gutachtende für Computerspiele bei der Unterhaltungssoftware-Selbstkontrolle (USK) werden wir in der letzten Zeit des Öfteren über die Schulter angesehen. Wenn selbst gute Freunde die Stirn runzeln, sobald wir von der Arbeit bei der USK erzählen, wird es Zeit, Stellung zu beziehen. Was ist passiert? Vor mehr als einem Jahr wurden Ergebnisse einer Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen e.V. (KFN) unter der Leitung von Christian Pfeiffer in der Öffentlichkeit verbreitet. Diese Studie untersucht den Zusammenhang zwischen Schulleistungen und Medienkonsum. In den Medien und in Äußerungen politisch Verantwortlicher wird sie zitiert, wenn auf vorhandene oder vermutete Defizite im Jugendschutz hingewiesen werden soll. Da wir Beiträge weiterer Forschungsinstitutionen in der gegenwärtigen Situation vermissen, die sich fundiert und bereits seit Jahren mit Wirkungszusammenhängen von Computerspielen auseinander setzen, da die Debatte in der Öffentlichkeit nur selten das Stammtischniveau verlässt, sehen wir uns veranlasst, einige wichtige Aspekte einzubringen, die wir bisher vermissen."

(Den ganzen Artikel lesen)
 

Konferenz in Bern: Is Knowledge a public good? Dynamics of Knowledge production and distribution

Im Rahmen der European Research Conference "Towards a Knowledge Society: Is Knowledge a public good? Dynamics of Knowledge production and distribution" der ESSHRA International in der Schweiz (12.-13. Juni 2007) im Kursaal in Bern spricht morgen, 13.6. 2007 von 16:00–17:30 Uhr im Policy panel ("Is Knowledge a public good? Policies for the knowledge society") u.a. Barbara Wenk, Mitglied im Forschungskolleg Kulturwissenschaftliche Technikforschung über "Current practices of knowledge production for communicating science and technology in museum exhibitions in Europe".
 

Kongress-Review (II): Deutschlandfunk-Sendung über Hamburger Technikkongress

Im Rahmen der Deutschlandfunk-Reihe "Studiozeit – Aus Kultur und Sozialwissenschaften" berichtete Hans-Peter Ehmke über den II. Kongress "Kulturwissenschaftliche Technikforschung". Unter dem Titel "Von musizierenden Automaten und dem Klangraum Auto" portraitiert er zum einen das Forschungskolleg, zum anderen aber versucht er einige der verschiedenen auf dem Hamburger Kongress vertretenen Ansätze von Technikforschung zu Wort kommen zu lassen.
Der Beitrag lässt sich hier im mp3-Format nachhören.

Darüber hinaus interviewte er auch Hermann Bausinger, der dort nochmals einen Aspekt der Abendveranstaltung zu "Volkskultur in der technischen Welt" am Eröffnungstag unterstrich:

„Mir war es wichtig zu zeigen, dass die Technik zum Volksleben gehört, dass sie also kein Fremdkörper ist, sondern dass sie integriert ist. Und wenn man will, kann man davon ausgehen, dass die menschliche Kultur eigentlich mit der Technik anfängt, egal ob ich an das Feuer denke oder an andere Errungenschaften, das sind technische Errungenschaften. Und man kann natürlich von der Gegenwart ausgehen, wo es einfach undenkbar ist, dass jemand ohne technische Geräte ohne technische Kommunikationsvorgänge lebt."
 

Kongress-Review

Lutz Freudenberg, Referent beim II. Kongress Kulturwissenschaftliche Technikforschung, betreibt auch ein Weblog (LSF). Ausserdem hat ihm das Kongress-Blogging gefallen.
 

Österreichische Volkskundetagung 2007 - Programm online

„Erb.gut? Kulturelles Erbe in Wissenschaft und Gesellschaft“

Inzwischen ist auch das Programm zur Österreichischen Volkskundetagung „Erb.gut? Kulturelles Erbe in Wissenschaft und Gesellschaft“ vom 14.11.-17.11.2007 in Innsbruck online.
.
Informationen über Anreise, Unterkunft, Tagungsgebühr etc. werden noch bekannt gegeben. Alle weiteren Informationen finden sich hier .
 

Nacht des Wissens in Hamburg

Das Forschungskolleg nimmt am 9. Juni mit einer Vortragsreihe unter dem Titel »Die Elektrifizierung der Kommunikation. Stationen der Kommunikationsgeschte vom Telegraphen zum Weblog« an der diesjährigen Nacht des Wissens in Hamburg teil.

Alle Vorträge finden im ESA West, Edmund-Siemers-Allee 1, Raum 220 statt.

17:00 Uhr
Andreas Reucher M.A. »Buchdruck - Geschwindigkeit: Schnellpressen, Rotationsdruck«

18:00 Uhr
Katrin Petersen M.A. »Die Telegrafie. Beschleunigung und Ausweitung der Kommunikation«

19:00 Uhr
Uta Rosenfeld M.A. »Telefon / Telemagie«

20:00 Uhr
Prof. Dr. Thomas Hengartner »’Mich hört man überall’. Die Veralltäglichung des Rundfunks«

21:00 Uhr
Christine Oldörp M.A. »fern-sehen«

22:00 Uhr
Gerrit Herlyn M.A. »Das Erreichbarkeitsversprechen. Der Weg des Mobiltelefons in den Alltag«

23:00 Uhr
Anneke Wolf M.A. »Auf den Tag gereimt. Weblogs als Formen chronologischen Schreibens im Internet«

00:00 Uhr
Julia Cöllen »YouTube - Broadcast yourself«

DFG-Projekte beim Wissenschaftssommer

lautete die Überschrift der Aussendung der DFG (Nr. 31, 04. Juni 2007) zum Wissenschaftssommer 2007 und zur Beteiligung des Instituts für Volkskunde bzw. des Forschungskollegs Kulturwissenschaftliche Technikforschung:

"Ausstellung informiert über "Gegenwart und Zukunft der Kommunikation"

Sprach- und Kommunikationsforschung stehen im Mittelpunkt der Aktivitäten, mit denen sich Projekte aus der Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) beim diesjährigen Wissenschaftssommer in Essen präsentieren. Vom 9.-15. Juni laden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf den "Jahrmarkt der Wissenschaften" am Kennedyplatz ein, um ihre Forschungsergebnisse vorzustellen und mit Besuchern ins Gespräch zu kommen. Die Ausstellung "Gegenwart und Zukunft der Kommunikation", die am Institut für Volkskunde der Universität Hamburg entstanden ist und mit Unterstützung der DFG in Essen erstmals gezeigt wird, beleuchtet die Beziehung von Menschen und Kommunikationsmedien im Alltag. (...)

Die Ausstellung "Gegenwart und Zukunft der Kommunikation" geht zurück auf Forschungsarbeiten unter der Leitung des Leibniz-Preisträgers Thomas Hengartner, bei denen untersucht wurde, in welcher Weise Technik - insbesondere Kommunikationsmedien wie das Mobiltelefon und das Internet - den menschlichen Alltag durchdringt und verändert. Die Ausstellung stellt den Menschen in den Mittelpunkt. Seine Erfahrungen im technisierten Alltag sind nicht nur Gegenstand der Ausstellungsinhalte, sondern können von den Besuchern auch selbst in die Ausstellung eingebracht werden: Sie können ausprobieren, sich austauschen und ihre eigenen Deutungen integrieren. Die Hamburger Wissenschaftler bieten täglich Führungen durch die Ausstellung an. Die Wanderausstellung wurde gemeinsam vom Institut für Volkskunde der Universität Hamburg und dem Hamburger Museum für Kommunikation konzipiert und realisiert und in Essen erstmals gezeigt."

Zur Debatte der Volkskunde mit den Kulturwissenschaften

hat sich Markus Tauschek (Göttingen), der heute Abend im Rahmen der Hamburger hgv-Vortrags-Reihe refereriert, in einer Rezension in der Zeitschrift für Volkskunde (103/2007/2, 117-119) geäußert.

In seiner Besprechung von "Nünning, Angar (Hg.): Grundbegriffe der Kulturtheorie und Kulturwissenschaften. Stuttgart u.a. 2005" kritisiert er das eingeschränkte Kulturwissenschafts-Verständnis von Ansgar Nünning, dessen Titel eine hohe Erwartung erwecke, aus der Sicht der Nachfolgediszplinen der Volkskunde.

Dabei moniert er die Reduktion der Kulturwissenschaften auf eine literaturwissenschaftliche Perspektive. Mit Verweis auf Begriffe wie Liminalität, Kitsch, Performance, narrativistische Ansätze kritisiert er das Unerwähnt-Lassen all jener Arbeiten, die diese Begriffe oder Ansätze tatsächlich "kulturwissenschaftlich" untersuchen:

"Aus der disziplinären Perspektive der Kulturanthropologie stell sich rasch die Frage, woher in den Artikeln dieses mitunter eingeschränkte Verständnis von Kulturwissenschaft rührt. Ein Blick in den vom Herausgeber selbst geschriebenen Artikel zum Stichwort 'Kulturwissenschaft' gibt darüber Aufschluss. In einer Annäherung an den sicherlich teilweise problematischen Sammelbegriff 'Kulturwissenschaft' schreibt Nünning: 'Der begrifflichen Klarheit wenig förderlich ist es, auch die Volkskunde oder Europäische Ethnologie als Kulturwissenschaft zu bezeichnen' (125). Warum hier die Disziplin Volkskunde, die ja an einigen Universitäten durchaus auch den Begriff 'Kultur' in ihrer Fachbeschreibung trägt (Empirische Kulturwissenschaft, Kulturanthropologie etc.) vom Herausgeber offensichtlich nicht als Kulturwissenschaft verstanden wird, bleibt unklar, hat aber große Auswirkungen auf die Konzeption des Bandes."

Nun zu dieser Frage könnte einem schon einiges einfallen, geht es doch bei dem 'Hijacken' des Begriffes "Kulturwissenschaft" doch vor allem um eine Modernisierung der klassischen Geisteswissenschaften bei Beibehaltung der meisten Reduktionismen eines hochkulturellen Begriffes von Kultur
(Vgl. hierzu einige frühere Einträge in diesem Blog (etwa anlässlich der Wiener IfK-Diskussion zur Lage der Kulturwissenschaften oder zu Ute Daniels Ausführungen).

M. Tauschek analysiert immerhin, wie diese Bemächtigungsstrategie funktioniert:

"So werden zwar die Begriffe im Hinblick im Hinblick auf ihre Bedeutung für Textproduktion, -rezeption, Literaturkritik etc. diskutiert, die lebensweltlichen und alltagskulturellen Bezüge fehlen jedoch meist.. Dabei dürfte es doch klar sein, dass Kultur als Handlung, als Denkform und Symbolsystem nicht nur den wissenschaftlichen Blick auf literarische Texte erfordert. Es wäre also durchaus mehr als förderlich, die Volkskunde/Europäische Ethnologie, die mit nahezu allen Begriffen des Einführungsbandes auch operiert, als eine Kulturwissenschaft zu bezeichnen."

Schließlich verweist er darauf, dass auch Elisabeth Timm in einer Rezension eines Sammelbandes der Österreichischen Zeitschrift für Geschichtswissenschaft mit dem Schwerpunkt "Europäische Ethnologie" in: Volkskunde in Niedersachsen 2/2006) bereits angemerkt hat, wie die "ältere Kulturwissenschaft" Volkskunde ignoriert und an den Rand gedrängt wurde. Als weiteres Beispiel hierfür nennt er auch Aleida Assmanns Sammelband "Positionen der Kulturanthropologie".

Abschließend betont der Rezensent:

"Insgesamt bleibt am Ende der Lektüre [von Nünning] ein fahler Beigeschmack. Die viel strapazierte Rede einer umfassenden Interdisziplinarität scheint der Band durch das implizite Ziehen neuer Grenzlinien stellenweise zu unterwandern. 'Schade', so möchte man am Ende der Durchsicht fast ein wenig resigniert schreiben. Doch dieser Band fordert auch heraus, die eigene Fachperspektive stark zu machen und die eigenen disziplinären Trümpfe vielleicht besser auszuspielen."

Schon richtig. Aber offenbar ist hierzu nur wenig Bereitschaft vorhanden.

Heute: HGV-Vortrag mit Markus Tauschek (Göttingen) über "immaterielles Welterbe auf dem Prüfstand der UNESCO"

Im Rahmen der Vortragsreihe der Hamburger Gesellschaft für Volkskunde (hgv) referiert heute, Dienstag, 5. Juni 2007, 19.15 Uhr ein Vortrag von Markus Tauschek M.A. (Universität Göttingen) über
»Der Kultur-TÜV? Das immaterielle Welterbe auf dem Prüfstand der UNESCO«
Ein Weblog mit Informationen und Meinungen rund um Fragen der Kulturwissenschaftlichen Technikforschung

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Publikationen aus dem Forschungskolleg










Gerrit Herlyn
Deutungsmuster und Erzählstrategien bei der Bewältigung beruflicher Krisenerfahrungen In: Seifert, Manfred/Götz, Irene/Huber, Birgit (Hg.): Flexible Biographien. Horizonte und Brüche im Arbeitsleben der Gegenwart. Frankfurt u. a. 2007, S. 167-184.








Anika Keinz, Klaus Schönberger und Vera Wolff (Hrsg.)
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