Tagungsbericht: Computerspiele und Gewährleistungsarbeit
Ein Bericht von Helmut Merschmann über die jüngst in Dresden stattgefundene Computerspiele-Tagung findet sich auf Telepolis, 12.7. 2005:
Spiel und Arbeit
Auf einer Tagung am Deutschen Hygienemuseum Dresden diskutierten Medienpädagogen, Kulturwissenschaftler und Spieleexperten den "Ernstfall Computerspiel".
Dabei wurde auch über den Zusammenhang von Spiel und Arbeit diskutiert:
"Einübung in objektivierendes Verhalten
Entgegengesetzt plädierte der Münchner Psychologe Rolf Oertel für eine maximal tägliche Spielzeit von dreißig Minuten bei Kindern und fordert ein kontrolliertes Zeitmanagement durch die Eltern: "Kinder brauchen Zeit für die Realität, da wird gegenwärtig ungeheuer gesündigt", so sein auf der Tagung nicht unwidersprochen gebliebenes Credo. Diese resolute Position kann Oertel aus einer prinzipiellen Unterscheidung zwischen Arbeit und Spiel ableiten.
Seit dem 17. Jahrhundert gilt Arbeit als Leitidee moderner Gesellschaften, stellte auch der Augsburger Soziologe Fritz Böhle klar, und im Gegenzug sei das Spiel als nutzloser Zeitvertreib diskriminiert worden. Emotionen, assoziatives Denken, Intuition und subjektives Erleben gelten in der Arbeitswelt nichts. Im Zuge immer komplexer werdender technischer Systeme (z.B. eine Industrieanlage) sind jedoch die "Grenzen der Planung" erreicht, da die Einflussgrößen (Umwelt, Material usw.) auf ein technisches System zu vielfältig geworden sind. Empirische Forschungen zeigen nun, dass der aus dem System wegrationalisierte Mensch als "Gewährleistungsarbeiter" ein wichtiger Faktor bleibt. Seine Fähigkeit, Fehlerquellen zu erahnen, Störungen intuitiv zu antizipieren und mittels assoziativen Denkens auszuloten – Kriterien, die bis dato nur Spielen zugebilligt wurden -, hat zu einer Entgrenzung von Arbeit und Spiel geführt.
Andererseits: Schon vom Schachspiel ist bekannt, das es in die gesellschaftliche Rationalisierung und deren Regeln einführt. Mit Shootern wiederum lassen sich die sensomotorischen Fähigkeiten gut trainieren. Die kann man sicher auch anderswo gebrauchen. Strategiespiele stellen vorausschauendes und logistischen Denken auf die Probe und üben objektivierendes Verhalten ein. Es ist folglich leicht zu erkennen, dass sich auch die Computerspiele auf die Arbeitswelt zubewegen und in diesem Vorgehen allerdings ihren Selbstzweckcharakter, das wichtigste Kriterium für Spiel, verlieren. Nun fragt sich, ob es noch Spiele sind?
Der ganze Text ist hier
Spiel und Arbeit
Auf einer Tagung am Deutschen Hygienemuseum Dresden diskutierten Medienpädagogen, Kulturwissenschaftler und Spieleexperten den "Ernstfall Computerspiel".
Dabei wurde auch über den Zusammenhang von Spiel und Arbeit diskutiert:
"Einübung in objektivierendes Verhalten
Entgegengesetzt plädierte der Münchner Psychologe Rolf Oertel für eine maximal tägliche Spielzeit von dreißig Minuten bei Kindern und fordert ein kontrolliertes Zeitmanagement durch die Eltern: "Kinder brauchen Zeit für die Realität, da wird gegenwärtig ungeheuer gesündigt", so sein auf der Tagung nicht unwidersprochen gebliebenes Credo. Diese resolute Position kann Oertel aus einer prinzipiellen Unterscheidung zwischen Arbeit und Spiel ableiten.
Seit dem 17. Jahrhundert gilt Arbeit als Leitidee moderner Gesellschaften, stellte auch der Augsburger Soziologe Fritz Böhle klar, und im Gegenzug sei das Spiel als nutzloser Zeitvertreib diskriminiert worden. Emotionen, assoziatives Denken, Intuition und subjektives Erleben gelten in der Arbeitswelt nichts. Im Zuge immer komplexer werdender technischer Systeme (z.B. eine Industrieanlage) sind jedoch die "Grenzen der Planung" erreicht, da die Einflussgrößen (Umwelt, Material usw.) auf ein technisches System zu vielfältig geworden sind. Empirische Forschungen zeigen nun, dass der aus dem System wegrationalisierte Mensch als "Gewährleistungsarbeiter" ein wichtiger Faktor bleibt. Seine Fähigkeit, Fehlerquellen zu erahnen, Störungen intuitiv zu antizipieren und mittels assoziativen Denkens auszuloten – Kriterien, die bis dato nur Spielen zugebilligt wurden -, hat zu einer Entgrenzung von Arbeit und Spiel geführt.
Andererseits: Schon vom Schachspiel ist bekannt, das es in die gesellschaftliche Rationalisierung und deren Regeln einführt. Mit Shootern wiederum lassen sich die sensomotorischen Fähigkeiten gut trainieren. Die kann man sicher auch anderswo gebrauchen. Strategiespiele stellen vorausschauendes und logistischen Denken auf die Probe und üben objektivierendes Verhalten ein. Es ist folglich leicht zu erkennen, dass sich auch die Computerspiele auf die Arbeitswelt zubewegen und in diesem Vorgehen allerdings ihren Selbstzweckcharakter, das wichtigste Kriterium für Spiel, verlieren. Nun fragt sich, ob es noch Spiele sind?
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kschoenberger - 20. Jul, 14:46
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