Widerständige Praktiken des Bloggens

Der Blogblick (d.i. Bov Bjerg) der Netzzeitung (23.10.2007) greift die hier entfaltete Argumentation hinsichtlich des Bloggens als "durchaus innovative politische Strategie sich gegen staatliche Drangsalierung und Terrorisierung" zur Wehr zu setzen, auf. Darüber hinaus werden Einträge aus anderen Blogs aufgegriffen, die meine Hypothese von der Widerständigkeit dieser Praktik des Bloggens im Weblog Annalist quasi empirisch unterfüttern:

"maloXP stößt ins gleiche Horn: «Der Frage, inwieweit das bloße Schreiben über den eigenen Alltag in einem Blog bereits Dissidenz sein kann, darf nun auch hierzulande nachgegangen werden.» Kralli meint sarkastisch: «Dich kann das nicht treffen? Du triffst dich nicht mit bösen Leuten und hast immer dein Handy dabei? Weißt du denn, was ich so mache, wenn wir uns nicht sehen? Und ob ich mein Handy auch öfter nicht dabei hab?»

Der Anwalt Udo Vetter vermerkt lakonisch: «Das ist sehr mutig.» Unter seinem knappen Posting entspinnt sich eine ausgiebige Diskussion zum Thema. bo (Kommentar 20) versucht zu ergründen, warum die Überwachungsmaßnahmen so offen stattfinden: «Zumindest wegen Fluchtgefahr fährt der Mann zur Zeit NICHT ein. Und genau da könnte eine Erklärung dafür liegen, warum vielleicht jemand mit aller Macht versuchen könnte, den Beschuldigten und seine Angehörigen zu terrorisieren und unter Druck zu setzen und - na ja, ein wenig 'zu treiben'.»

genevainformation (Kommentar 31) spielt auf die Dynamik von Weblogs an: «Berichte über die Nebenwirkungen von polizeilichen Maßnahmen gab es wohl schon immer. Aber früher wurden die in kleinen Druckereien auf billiges Papier gedruckt und vom Normalmenschen aufgrund der typischerweise großen Anzahl komplizierter Worte nicht wahrgenommen.»

Was mögen die zur Überwachung abgestellten Beamten empfinden, wenn sie nach Feierabend im Blog von Annalist blättern? Der Mann, der im Supermarkt die Regale inspizieren muss; der Kollege, der so ausdauernd den Laternenpfahl anstarrt: Haben sie nicht das Bedürfnis, ihre Sicht der Dinge darzustellen? Das eine oder andere Detail zu korrigieren? Anders gefragt: Wann bloggen endlich die Polizisten? Wie das geht? Einfach die Kollegen fragen."


Die Links zu den zitierten Blog-Einträgen finden sich auf der Seite der Netzzeitung.
 

TU Harburg: Vortragsreihe „Kunst und Technik: Junge Wissenschaft“

Anzukündigen ist eine Veranstaltungs- und Vortragsreihe des DFG-Graduiertenkolleg „Kunst und Technik“ an der Technischen Universität Hamburg-Harburg

01.11. 07
Form follows Material
Material - ein formbestimmendes Kriterium in der Architektur?
Dipl. Ing. Markus Holzbach, Stuttgart

29.11.07
“Only the best packed in glass…” – Überlegungen zur kulturellen
Konjunktur von Glasräumen im frühen 20. Jahrhundert
Kijan Espahangizi, ETH Zürich

13.12.07
„Der Ingenieur als philosophischer Prototyp – Vermischte Bemerkungen zu Ludwig Wittgensteins ästhetischen Konstruktionen“
Dr. Grischka Petri, Universität Hamburg/University of Glasgow

10.01.08
Ingenieurbaukunst – Quo vadis?
Dr.-Ing. Annette Bögle, FU Berlin

24.01.08 N.N.


Vorträge jeweils Do. 18:00 Uhr
TUHH, NIT, Raum E 26
Kasernenstraße 12
20173 Hamburg


Kontakt: kunstundtechnik[at]tu-harburg[dot]de

Bibliotheksbenutzung wieder erlaubt?

Der BGH hat mitgeteilt, dass er schon am 18.10. beschlossen hat, den Haftbefehl gegen den Stadtsoziologen Andrej Holm aufzuheben, dass aber weiter nach §129a ermittelt wird. In der Entscheidung wird zudem behauptet, dass der Anfangsverdacht zu recht bestanden habe.

In der Zwischenzeit ist heute der Institutsdirektor des rennomierten Instituts für Stadt- und Regionalsoziologie an der HU Berlin, Hartmut Häussermann zwangsweise vom BGH als Zeuge vorgeladen worden und wohl einige Stunden in die Mangel genommen worden.

lesen
Nun stellen sich den mehr oder weniger befangenen Beobachtern, die selbst ganz schnell mit einer teilnehmenden Beobachtung konfrontiert sein könnten, nach wie vor die Frage, ob Bibliotheksbesuche und die Verwendung des Begriffs "Gentrification" nun einen Anfangsverdacht begründet oder nicht. Das wird noch zu zeigen sein.

Der rennomierte Stadtforscher Peter Marcuse (u.a. Sohn von Herbert Marcuse) hat dazu jüngst seine eigene Meinung geäußert, die hier nicht nur auf Zustimmung stößt, es aber schon die Frage ist, ob man angesichts der biographischen Erfahrung Marcuses (vgl. taz, 20.10.2007), solche Einschätzungen als "dummes Zeug" abtun kann.
 

annas list gegen stasi-methoden

annalist heißt das Blog der Lebensgefährtin des Stadtsoziologen Andrej Holm, der von der Bundesantwaltschaft verhaftet wurde (§ 129a) und dessen gesamte Familie nach seiner immer noch vorläufigen Freilassung nun vom BKA überwacht und terrorisiert wird:


"I live in Berlin as a media activist, journalist, translator, and mother of two (best reason to be home and online a lot). Recently my life has changed enormously when German Federal Police arrested my partner Andrej Holm for being terrorist. Details at einstellung.so36.net."


Dieses Weblog ist für einen Weblogforscher aus zweierlei Gründen faszinierend. Es ist erstens eine durchaus innovative politische Strategie sich gegen staatliche Drangsalierung und Terrorisierung, und die damit verbundene Durchdringung des eigenen Alltags öffentlich zu Wehr zu setzen. Waren die Opfer staatlicher Willkür bisher vor allem auf sich allein gestellt oder auf einen kleinen UnterstützerInnen-Kreis angewiesen, so lassen sich die Auswirkungen dieser Überwachung durch eine solche Form der Herstellung von Öffentlichkeit nicht nur ein Stück weit besser bewältigen, sondern der Vorwurf der Beteiligung bzw. Bildung einer terroristischen Vereinigung wird ad absurdum geführt. Ein solches Blog ist zweitens auch eine probates Mittel der Selbstreflexion, mit den damit verbundenen Zumutungen durch BKA und Generalbundesantwaltschaft umzugehen.

Schlussendlich könnte man dieses Weblog als eine neuartige Protestform analysieren, in einem asymetrischen Konflikt, in dem dem Betroffenen Klandestinität und Illegalität zum Vorwurf gemacht wird, sich nicht nur subjektiv zu behaupten, sondern ein Stück weit auch Gegenmacht zu demonstrieren. Diese Offenlegung persönlicher alltäglicher Handlungen und Details bringt die ganzen Konstruktionen der Verfolgungsbehörden zumindest diskursiv zum implodieren.

Update 20.10. 2007

Till Westermayer über "Asymetrische Öffentlichkeit"
Annalist bei Technorati
Annalist bei Googles Blogsuche
 

New York Dolls: Popkulturelle Antwort auf "Intelligent Desgin"

Eine popkulturelle Antwort auf den zunehmenden Einfluss der Anhänger des sogenannten "Intelligent Design" bieten uns die New York Dolls:




Der Text zum Mitlesen:

"Your design's so intelligent
Ain't no way that was an accident
Come on shake your monkey hips
My pretty little creationist
Oh yeah
Ain't gonna anthropomorphize ya
Or perversely polymorphosize ya
Oh yeah

Little girl you look so sweet
(you got hips like a monkey, hips like a monkey)

You just started ten thousand years ago
Presto, Adam and Eve, but go man go
Abel died, Cain took his life
And headed straight for the jungle to find a wife.
(Wow)

Nonbelievers running out on apes
This monkey time I want to see you shake

Evolution is obsolete
(you gotta dance like a monkey, dance like a monkey, child)
Stomp your hands and clap your feet
(you gotta dance like a monkey, dance like a monkey, child)

Oh one more time, yo
It's monkey time!

Come on pretty baby won't you take a chance
Be my natural selection, dance dance dance
Exorcise your demons with that monkey friend
Because we're gonna inherit the wind

Let them fight it out in the Supreme Court
That's such a mad lame indoor sport
Wave your arms and legs in the air
Rock it like a monkey, like you just don't care

Evolution is so obsolete
Gotta stomp your hands and clap your feet
(you gotta dance like a monkey, dance like a monkey
you gotta dance like a monkey, dance like a monkey...)!"

Utopien und Dystopien - Blick zurück nach vorn

Im Rahmen der interdisziplinären Tagung "Szenarien der Zukunft: Technikvisionen und Gesellschaftsentwürfe im Zeitalter globaler Risiken", 18. u. 19. 10. 2007 an der RTHW Aachen wird der Wissenschaftliche Koordinator des Forschungskollegs Kulturwissenschaftlichen Technikforschung am Donnerstag, 18.10., 12.45 Uhr über das Thema "Utopien und Dystopien – Gradwanderungen Kulturwissenschaftlicher Technikforschung zwischen Apologie und Kulturkritik" refererien und einen Blick zurück nach vorn vorschlagen. Zum Programm.
 

Wiener Europäische Ethnologen bloggen: Die Tücke des Objekts

Nach dem 36. dgv-Kongress war es auch ein wenig zu erwarten. Nämlich, dass Weblogs als Medium der Seminarkommunikation oder der Selbstdarstellung der Nachfolgedisziplinen der Volkskunde Einzug halten würden. Während beim Grazer Experiment im Wintersemester 2006/2007 das Thema Weblog selbst Gegenstand des Blogs war, wird das Wiener Weblog bereits für ein nicht internet-affines Thema aufgelegt:

"Der Blog dient als Kommunikationsplattform für das Seminar: Die Tücke des Objekts. Zur Analyse materieller Kultur. des Instituts für Europäische Ethnologie / Wien (Klara Löffler)WS 2007/2008"

"Aller Anfang ist schwer"

Nach der ersten Sitzung umfasst das Wiener Seminar-Weblog zunächst einen Eintrag, der den einfachen wie richtigen Titel trägt: "Aller Anfang ist schwer". Mal sehen, was noch kommt ..

Andere Projekte - wie das der Mainzer Studierende - befindet sich gerade im Umbau und will sich in drei Weblogs ausdifferenzieren.

Neben Weblogs finden sich nun auch weitere Versuche mit der Wiki-Technologie. Hierzu zählen das überregionale überregionale Wiki für Volkskunde-Studierende "ku-wi.net". aber auch das Hamburger Institutswiki, das immer wieder auch für die Lehre eingesetzt wird.
 

Zeitschrift für Kulturwissenschaften: Bollywood, Internet, Online/Offline

zfk
Von der "Zeitschrift für Kulturwissenschaften" ist jetzt Band 2 (Wiener Redaktion bzw. HerausgeberInnen: Siegfried Mattl, Elisabeth Timm, Birgit Wagner) erschienen. Das Thema lautet: "Filmwissenschaft als Kulturwissenschaft". Darin findet sich aus Sicht einer Kulturwissenschaftlichen Technikforschung ein weiterer sehr interessanter Beitrag von Bernhard Fuchs (Institut für Europäische Ethnologie, Wien) zum Thema Bollywood und online/offline-Beziehungen, der zugleich implizit den Unterschied zwischen einer kulturwissenschaftlichen Perspektive volkskundlicher Provenienz und einem überwiegend geisteswissenschaftlichen Verständnis von Cultural Studies und Kulturwissenschaften deutlich macht:

Bernhard Fuchs: Bollywood-Fans meeting online und offline: Filmkultur im Internet, auf Stammtischen und bei Clubbings. In. Zeitschrift für Kulturwissenschaften (2007) 2, S. 69-84.

"Meine empirische Untersuchung kombiniert die Analyse der Online-Kommunikation von Bollywood-Fans mit der in Wien lokalisierten Ethnographie von Veranstaltungen und Institutionen (Videoläden, Stammtische, Clubbings und andere Events, letztlich auch Filmvorführungen selbst). Die Kombination von teilnehmender Beobachtung in einer Fan-Kultur mit virtueller Ethnographie verdeutlicht wie lokale Praxis in internationale und globale Netzwerke eingebunden ist und analysiert die Einbettung von Film und Neuen Medien in das Alltagsleben. Die auf einer engen Verschränkung von online und offline Identitäten beruhenden sozialen Beziehungen der Fans betrachte ich hier als eine spezifische Form transnationaler Filmkultur." (S. 77)

Aus dem Editioral der HerausgeberInnen zum Konzept der Ausgabe:

"Filmwissenschaft ist eine Herausforderung für die Kulturwissenschaft. Nach mehr als hundert Jahren Kinogeschichte ist der Streit um das kulturelle Objekt Film, um das Kino als Institution und um Rezeptionsformen zur konstitutiven Geschichte einer Disziplin geworden, der die Überschreitung von traditionellen Fächergrenzen inhärent ist. Die Beiträge des Hefts rekonstruieren nicht nur den wissenschaftlichen Blick auf Filme und FilmemacherInnen in verschiedenen Epochen und Ländern (Deutschland, Großbritannien, Frankreich), sondern auch die Produktion und Rezeption von Filmen."


Zeitschrift für Kulturwissenschaften. Bielefeld: Transcript - Verlag ISBN 9783-9331; ISSN 9783-9331
 

Kulturkritik und "Adorno-Bashing" (20)

Kaspar Maase forderte beim Mainzer dgv-Kongress die Rückbesinnung auf Kulturkritik. Der Bezug auf Adorno war dabei unübhörbar. Nun lassen wir den Großmeister einmal selbst zu Wort kommen und uns den Zusammenhang von Warenform und Protestsong erläutern:



Aber letztlich bleibt halt das Problem, dass auch die Frankfurter Schule Teil der Verwertungslogik und des Spektakels geworden ist.
Kritisch wandte sich Kaspar Maase auch gegen das "Adorno-Bashing". Was wir uns darunter vorzustellen haben, illustriert vielleicht der "Adornoschlumpf" ganz gut ;-)

 

kommunikation@gesellschaft: Ralf Bendrath über "Überwachen und Sortieren" als Kontrolldispositiv

In dem von Jan Schmidt, Klaus Schönberger und Christian Stegbauer herausgebenen "kommunikation@gesellschaft - Journal für alte und neue Medien aus soziologischer, kulturanthropologischer und kommunikationswissenschaftlicher Perspektive" ist soeben ein Beitrag von Ralf Bendrath (Bremen) erschienen, der sich kritiisch mit dem Wandel des Sicherheitsdispositivs vom "Überwachen und Strafen" zu "Überwachen und Sortieren" (quasi von der Mann- zur Raumdeckung oder von der Diszplinar- zur Kontrollgesellschaft) beschäftigt:


Bendrath, Ralf: Der gläserne Bürger und der vorsorgliche Staat: Zum Verhältnis von Überwachung und Sicherheit in der Informationsgesellschaft. In:
kommunikation@gesellschaft, 8 (2007), Beitrag 7. Online-Publikation: http://www.soz.uni-frankfurt.de/K.G/B7_2007_Bendrath.pdf



Zusammenfassung:
Das Sicherheitsparadigma des Präventionsstaates im „Kampf gegen den Terror“ unterscheidet sich in zweierlei Hinsicht von dem des Gefahrenabwehrstaates im Kalten Krieg. In zeitlicher Hinsicht geht es nicht mehr um die Abwehr gegenwärtiger Bedrohungen, sondern um die Vorbeugung zukünftiger Risiken. Auf der Akteursebene sind die Träger dieser Risiken nicht mehr Staaten, sondern Individuen. Damit gelten nun alle als potenziell verdächtig. Hier spielt der Computer eine entscheidende Rolle, indem er die alten Überwachungstechniken des Aufzeichnens und Verbreitens von Informationen durch die Möglichkeit des automatischen Entscheidens ergänzt. Aus „Überwachen und Strafen“ wird damit „Überwachen und Sortieren“, aus individuellen Bewertungen wird massenhafte digitale Diskriminierung auf der Basis von vernetzten Datenbanken und in Algorithmen gegossenen Vorurteilen. Mit diesem Verfahren sind jenseits juristischer und politischer Schwierigkeiten drei strukturelle Probleme verbunden: das Problem der Modellbildung, das Problem der Probabilistik und das Problem der Definitionsmacht. Dennoch scheint der Trend zum weiteren Ausbau der Überwachungsinfrastrukturen nicht aufzuhören. Mögliche Erklärungen, aber auch Hinweise auf weiteren Forschungsbedarf, liefern dafür jeweils auf unterschiedlichen Ebenen die Gesellschaftsdiagnose, die Techniksoziologie und die politische Ökonomie. In normativer Hinsicht geht es hier letztlich auch um die Sicherheitsvorsorge der Bürger gegenüber dem Staat und damit um die Frage: Wie können wir unsere technischen Infrastrukturen so aufbauen, dass unfähige und unredliche Machthaber damit keinen großen Schaden anrichten können?
 

Nun auch Liveblogging bei den Ethnologen (19)

Na wer hätte das gedacht, dass die gute alte Tante Volkskunde und ihre Nachfolgedisziplinen noch einmal den Pacemaker machen könnten:

"Die Volkskundler machen es (mal wieder) den Ethnologen vor: Wie bereits gemeldet, sind sie im Vorfeld ihres Jahreskongresses in Mainz schon eifrig am Bloggen und Podcasten. Soeben wurde bekannt, dass sie auch live vom Kongress bloggen werden"

Nachdem "wir" (bleiben wir mal auf dem Teppich) es auf "unserem" Kongress vormachten, wollen die Ethnologen nicht abseits stehen. Offenbar wollen sich nicht zuletzt deshalb einige BesucherInnen dazu hinreißen lassen, gleichfalls von ihrem dgv-Kongress in Halle zu bloggen. Dürfen wir Wünsche äußern, dann würden wir uns nur ungern auf den Cnyberculture-Workshop beschränken, sondern auch den Workshop 5, bei dem auch Tilo Grätz sprechen wird, "bestellen" ....

Lokale Medienkulturen beim Ethnologen-Kongress in Halle

Nicht nur die Volkskunde tagte dieser Tage, sondern auch die Völkerkundler versammeln sich derzeit zentralen Kongress . Vom 01. bis 04. Oktober 2007 findet in Halle (Saale) der wissenschaftliche Kongress 2007 der Deutschen Gesellschaft für Völkerkunde statt: “Streitfragen – zum Verhältnis von empirischer Forschung und ethnologischer Theoriebildung am Anfang des 21. Jahrhunderts“

Mit dabei ist auch Tilo Grätz, Mitglied im Forschungskolleg Kulturwissenschaftliche Technikforschung im Workshop 5 "Zwischen Vereinheitlichung und Fragmentierung der Welt? Lokale Medienkulturen und die Konstitution von Wissen und Wissenschaft", der an zwei Tagen durchgeführt wird:

3. Oktober 2007, 14.00-18.00

Part I Local Media Cultures
Jeanine Dagyeli, Sophie Roche: For the fear of afterlife - Islamic videos in Tajikistan

Birgit Bräuchler: Transforming Society through the Transformation of the Media Scene? From War to Peace in the Moluccas, Eastern Indonesia

Tilo Grätz: Zum Wandel von lokalen Medienkulturen am Beispiel Benins

Filipe Reis: Radio, Knowledge and Senses: the building of a local mediated culture


4. Oktober 2007, 14.00-18.00
Part II Media and the Constitution of Knowledge - Theoretical Perspectives:

Elke Mader: Mythen und Medien

John Postill: The elements of media: a field theoretical exploration
Part III Knowledge Culture(s)

Thorolf Lipp & Martina Kleinert: Utopie einer „Medienkultur des Wissens“: Mediale Vermittlung des UNESCO „Intangible Heritage“ und die Rolle der Ethnologie.

Abstract von Tilo Grätz:

Mein Beitrag beschreibt Prozesse der Medienaneignung sowie der Veränderungen von Öffentlichkeiten in Afrika unter dem Einfluss von expandierenden neuen und alten Medien, von Medienkonversion sowie politischer Liberalisierung. Am Fallbeispielen aus der Republik Benin wird dabei der Frage nachgegangen, inwiefern es zur Rekombination medialer Praxen oder gar zu Innovationen im Bereich medial vermittelter Informations- und Kommunikationskulturen kommt. Weiterhin geht es um die Verknüpfung verschiedener Öffentlichkeiten sowie die Zirkulation von Mediengütern, die auch mit neuen Wissenskulturen, Themensetzungen und Gemeinschaftsbildungen einhergeht. Schließlich werde ich Aspekte der Medienaneignung im Alltag verfolgen. Dabei wird dafür plädiert, genauer zwischen pragmatischen, ludischen und idealistischen Ebenen (vorläufige Kategorien, erweiterbar) in solchen Aneignungsprozessen zu unterscheiden, wobei meist von einer Gleichzeitigkeit bzw. Kombination dieser Dimensionen ausgegangen werden muss.

Überregionales Wiki für Volkskunde-Studierende

Jüngst erreichte mich freundliche Studierenden-Post mit einem Hinweis, den ich an dieser Stelle gern weitergebe:

Mit dieser Seite wollen wir die bessere Vernetzung der Studierenden der Volkskunde/Kulturanthropologie/Europäische Ethnologie in Deutschland, Österreich und der Schweiz fördern. Das Prinzip: Jeder kann mitmachen. Einfach anmelden und loslegen. Die zwei persönlichen Ansprechpartner für die Vernetzung der Studierenden sind die StudierendenvertreterInnen im Hauptausschuss der dgv.

Hessen-Nazis wollen "Volkskunde/Kultur" als Schulfach verbindlich machen

Man weiss nicht ob nicht gerade ein Fehler darin besteht es zu thematisieren. Aber anderseits könnte es auch der Selbstwahrnehmung der Nachfolgedisziplinen der Volkskunde dienlich sein. Via Störtebecker-Netz erfahren wir nämlich vom "Sofortprogramm" der NPD anlässlich der hessischen Landtagswahlen:

"Die hessische NPD hingegen stellt zur Landtagswahl kein herkömmliches Wahlprogramm vor, sondern stattdessen, ein Sofortprogramm der NPD-Fraktion im hessischen Landtag, welches wir sodann ebenfalls vorstellen möchten sowie die ersten fünf Listenkandidaten der Partei."


Neben all dem anderen erwartbaren Dreck,. findet sich aber eine Passage die unsere Fächer aufhorchen lassen sollte:

"Einführung des Schulfaches Volkskunde / Kultur
Die Schüler sollen Ihre eigene zig tausend Jahre alte Kultur wieder neu entdecken und lieben lernen. Die Zeit der Selbstbesudelung und Gleichmacherei muss ein Ende haben. Nur so kann auch der Respekt vor anderen Völkern wachsen."


Es hilft alles nichts. Man muss sich schon dessen gewahr sein, und das abschätzige Lächeln und elfenbeinturmartiges DarüberwegSchauen ändert auch nichts daran, dass diese Konzeption von Volkskunde noch virulent ist. Und vor allem sollte man das nicht unterschätzen. Darauf verweist auch ein Flyer zur Bildungspolitik der thüringen NPD:

"Viele schwerwiegende Probleme, vor allem im Schul-
bereich, lassen sich auf den Verlust von ehemals deut-
schen Werten und Tugenden zurückführen, die heutzu-
tage durch das Primat der Wirtschaft ersetzt wurden.
Alle Lern- und Bildungsziele sind auf die kurzfristigen
Funktionsbedürfnisse einer globalisierten Wirtschaft
ausgerichtet, welche einerseits heimatlose Spezia-
listen und andererseits konsumorientierte Anhänger
der Spaßgesellschaft herausbildet. Dies will die NPD
durch einen neuerlichen Wertewandel im Bildungsbe-
reich ändern, indem eine völlige Neuorientierung der
Lehrplanung vollzogen wird. Dazu ist es erforderlich,
in den Lehrplänen nicht nur Bildungs-, sondern auch
Erziehungsziele festzuschreiben, um langfristige Ver-
änderungen zu bewirken. Die Vermittlung von Identität,
Heimatverbundenheit und Brauchtum muß durch die
Fächergruppen Heimatkunde, Ethik sowie Regionale
Geschichte und Volkskunde in das Zentrum des Ler-
nens gerückt werden. Ebenso gilt es in allen Alterstufen
einen Schwerpunkt der Ausbildung auf die Vermittlung
deutscher Sprache, Kultur und Geschichte zu legen.
Nur so kann ein Gefühl zur Heimat entwickelt und ein
grundlegender Wertewandel vollzogen werden."


Ähnliche Forderungen finden sich im NPD-Programm zur Berliner Abgeordnetenwahl:

"Wir fordern ....
Heimat- und Volkskundeunterricht in den Schulen, Unterricht darf nicht losgelöst von unserer Kultur stattfinden (Musik, Tanz und Kunst gehören ebenso dazu wie Mathematik oder Physik)."


Vielleicht doch mal wieder ein Grund, sich mit Kulturalismus, Rassismus und Nationalismus auseinanderzusetzen.
 

Sekante-Blog über "Produser"-Sektion (18)

Wolfgang Zeglovits vom FAME-Netzwerk schreibt im Sekante-Blog rückblickend über die ProdUser-Sektion beim 36. dgv-Kongress in Mainz:

"Also schreibe ich über meinen favorisierten Themenblock: Im Panel ProdUser präsentierte Birgit Huber ihre Dissertation über Veränderungen von Produktionsweisen durch den Einsatz von neuen Technologien. Sie orientiert sich in ihrer "multi-sited" Ethnografie stark an einem post-fordistischem Arbeitsbegriff. Speziell interessant fand ich ihre strenge Unterscheidung von materieller und immaterieller Arbeit. Letztere ist für sie keine Arbeit im eigentlichen Sinn. Ihre Aussage war, dass ihre InformantInnen immaterielle Arbeit als fremdbestimmt, bzw. Arbeit im eigentlichen Sinn, empfinden. Materielle Arbeit und Zeit ohne PC und Internet wird hingegen als selbstbestimmt wahrgenommen.

Christoph Köck sprach anschließend über den Einsatz von Web 2.0 im Kontext institutionellem Lernens. Es war vor allem eine Einfühung in den Begriff Web 2.0 und einiger Applikationen, die darunter zusammengefasst werden.


Klaus Schönberger schließlich trug zum Thema "Schundromane und Weblogs: Von der Lese- zur Schreibwut?" vor. Er schlägt vor, sich Aneignungsstrategien in einem größeren und historischen Kontext anzusehen. Im Zusammenhang mit der vor allem im deutschen Sprachraum von JournalistInnen erhobenen Kritik an Weblogs, ist die Beobachtung in einer Tradition mit dem Aufkommen des Lesens von Schundromanen zu vergleichen. Klaus Schönberger griff einige Kritiker der Weblogs heraus, die sich über die Oberflächlichkeit der Inhalte in Weblogs monieren. Da kann ich ihm einen Weiteren nennen, den er zu seiner Liste der Verunglimpfungen des Weblogs hinzufügen kann. Konrad Paul Liessmann gab beim Philosophicum der ISPA in Wien am 28.3.2007 folgenden Ausspruch zum Besten: "Blog ist der Bassenatratsch im Internet".


Der Kernbegriff der Veränderung kultureller Praxen und der wechselseitigen Beeinflussungen von Technologie und Gesesllschaft ist die Rekombination. Klaus Schönberger sieht eine Dichotomie zwischen Praktiken und Strukturwandel. Mit den Methoden der Ethnografie ließe sich aber nur die Praxis erforschen, nicht aber der Strukturwandel. Mit der Kulturanthropologie wiederum lassen sich die Praxen wiederum gut erforschen. Allerdings nicht nur die Praxen der Aneignung von Medien, sondern darüber hinausgehend, weshalb für ihn die Kulturanthropologie keine Medienwissenschaft ist. Das letzte Argument habe ich gleich in meinem Vortrag aufgenommen. "
Ein Weblog mit Informationen und Meinungen rund um Fragen der Kulturwissenschaftlichen Technikforschung

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Deutungsmuster und Erzählstrategien bei der Bewältigung beruflicher Krisenerfahrungen In: Seifert, Manfred/Götz, Irene/Huber, Birgit (Hg.): Flexible Biographien. Horizonte und Brüche im Arbeitsleben der Gegenwart. Frankfurt u. a. 2007, S. 167-184.








Anika Keinz, Klaus Schönberger und Vera Wolff (Hrsg.)
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