Deutschlandfunk-Portrait: "Die Beste aller akademischen Welten"? (17)

Anläßlich des 36.dgv-Kongresses portraitierte am 27.9. 2007 der Deutschlandfunk in seiner Sendereihe "Studiozeit - Aus Kultur- und Sozialwissenschaft" die Nachfolgedisziplinen der Volkskunde. Ausgehend von der Erörterung des Kongressthema “Bilder Bücher Bytes” mündet der Bericht in einem Portrait des Faches. Dabei wird das Fach als "jenseits" des Verwertungszwanges angesiedelt und ein bisschen idealisiert, wenn es denn am Schluß heisst, dass wir hier es vielleicht mit der Besten aller akademischen Welten zu tun hätte. Wer's glaubt wird selig ....

Ach ja, der Teil über das Fach und den Kongress findet sich ungefähr in der Mitte der Sendung

Hamburg: Lehrkraft für besondere Aufgaben

Am Institut für Volkskunde/Kulturanthropologie der Universität Hamburg ist ab 01.12.2007 die Stelle einer

Lehrkraft für besondere Aufgaben

der Entgeltgruppe 13 TV-L (entspricht Verg.Gr. II a BAT) mit 19,5
Stunden wöchentlich, befristet auf drei Jahre, zu besetzen.

Die Universität strebt die Erhöhung des Anteils von Frauen am
wissenschaftlichen Personal an und fordert deshalb qualifizierte Frauen nachdrücklich auf, sich zu bewerben. Frauen werden im Sinne des Hamburgi-schen Gleichstellungsgesetzes bei gleichwertiger Qualifikation vorrangig berücksichtigt.

Aufgaben:
Zu den Dienstaufgaben gehört die Durchführung von Lehrveranstaltungen in Volkskunde/Kulturanthropologie im Rahmen des Magister und innerhalb des B.A.-Studiengangs. Die Aufgaben können selbständig oder unter der fachlichen Verantwortung einer Hochschullehrerin/eines Hochschullehrers durchgeführt werden. Die Lehrverpflichtung beträgt 8 Lehrveranstaltungsstunden bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 19,5 Stunden. Die Lehrverpflichtung der Lehrkräfte für besondere Aufgaben ergibt sich aus den Bestimmungen des § 10 Abs. 1 und 5 Lehrverpflichtungsverordnung für die Hamburger Hochschulen (LVVO).

Aufgabengebiet:
Es wird erwartet, dass sich die Lehrkraft intensiv am Aufbau und der Weiterentwicklung des Curriculums in Volkskunde/Kulturanthropologie beteiligt.

Einstellungsvoraussetzungen:
Abgeschlossene Ausbildung an einer wissenschaftlichen Hochschule und Abschluss im Fach Volkskunde/Kulturanthropologie. Darüber hinaus sollte die Bewerberin/der Bewerber mindestens eine
dreijährige Praxis der Lehre von Volkskunde/Kulturanthropologie
nachweisen können, möglichst im universitären Bereich.

Neben den üblichen Unterlagen sollte der Bewerbung auch eine Darstellung der eigenen Vorstellungen zur Didaktik im Fach
Volkskunde/Kulturanthropologie beigefügt werden, aus denen deutlich wird, wie und mit welchen Methoden und Medien gearbeitet und auf welchem Wege Lernfortschritte erzielt werden sollen.

Schwerbehinderte haben Vorrang vor gesetzlich nicht bevorrechtigten Bewerberinnen/Bewerbern gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistungen.
Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen (Bewerbungsschreiben,
tabellarischer Lebenslauf, Hochschulab-schluss, Nachweis der
Lehrerfahrung und Vorstellungen zur Lehre) und zwei Referenzschreiben werden bis zum 15.10.2007 erbeten an den

Sprecher des Departments Kulturgeschichte und Kulturkunde
Prof. Dr. Thomas Hengartner
Stichwort: LfbA Volkskunde/Kulturanthropologie
Edmund-Siemers-Allee 1 (Hauptgebäude)
20146 Hamburg

Es wird gebeten, für Ihre Bewerbungen keine Originalunterlagen
einzureichen. Aus Kostengründen werden übersandte Unterlagen nicht zurückgesandt, sondern nach Abschluss des Verfahrens vernichtet. Eine Rücksendung erfolgt nur, wenn ein ausreichend frankierter und adressierter Rückumschlag beigefügt ist.

Für nähere Informationen wenden Sie sich bitte an Frau Prof. Dr. Sonja Windmüller (Juniorprofessorin) (sonja[at]windmueller@uni-hamburg[dot]de), Tel.:
+49-40-42838-6973


Prof. Dr. Sonja Windmüller
Juniorprofessorin
Universität Hamburg
Fakultät für Geisteswissenschaften
Dept. Kulturgeschichte und Kulturkunde
Institut für Volkskunde 
Edmund-Siemers-Allee 1 (West), Raum 215
D-20146 Hamburg
Fon +49-40-42838 6973
Fax +49-40-42838 6346
E-Mail: (sonja[at]windmueller@uni-hamburg[dot]de)

FAZ über Volkskundekongress: "Mehr Kritik. Wie die Volkskunde mit den Medien umgehen sollte" (17)

Die Zeitung, hinter der bekanntlich immer ein kluger Kopf zu sitzen scheint, hat sich heute des am Mittwoch zu Ende gegangenen 36. Volkskundekongresses in Mainz angenommen. Der bekennende Donaldist Andreas Platthaus (für VolkskundlerInnen immerhin interessant, das man sagt, die Donaldisten hätten das FAZ-Feuilleton "unterwandert" - und es dürfte wohl diesem Umstand zu verdanken sein, dass die FAZ inzwischen eine von Platthaus zu verantwortende "Klassiker der Comic-Literatur"-Edition herausgibt) hatte auch die Podiumsabschlussdiskussion moderiert.
Platthaus In der FAZ (28.9. 2007) lesen wir:

"Zweiunddreißig Jahre brauchte es, ehe die Deutsche Gesellschaft für Volkskunde, die ihren zwanzigsten Kongress 1975 unter das Motto "Direkte Kommunikation und Massenkommunikation" und damit erstmals die Medien in den Mittelpunkt gestellt hatte, sich entschied, das Thema erneut anzugehen. Allerdings unter anderem Titel und entsprechend anderen Vorzeichen: (....) nur der Untertitel verriet, dass der Anspruch ein anderer war, als Medien bloß zu beschreiben. Vielmehr sollte deren Wechselwirkung mit gesellschaftlichen Phänomen erforscht werden. Als eines davon erwies sich plötzlich die kulturwissenschaftliche Volkskunde selbst."

Im Mittelpunkt des FAZ-Artikels steht der Plenarvortrag von Kaspar Maase.

"Maase beklagte, dass dadurch die letzten Reste einer an Adorno geschulten Kulturkritik und das Erbe der Achtundsechziger in seinem Fach beseitigt seien. Vorträge, die sich dem Boom zeitgeschichtlicher Themen in Filmen wie 'Dresden' und 'Sturmflut* widmeten oder den Bemühungen von Sendern und Städten, die Drehorte populärer Serien zu vermarkten, bestätigten die Sorgen von Maase insofern, als bei der Analyse die Intentionen der Sender zurücktraten hinter die Faszination der Zuschauer. Das war verblüffend, weil viele Panels und Sektionen die kommerziellen Absichten bei der Herausbildung von kulturwissenschaftlichen Phänomen in den Mittelpunkt stellten. Speziell gegenüber dem Fernsehen aber beschränkte man sich auf eine Wirkungsforschung, die Maases Formulierung ' Heute interessiert uns nur, was Menschen mit Medien machen, nicht mehr umgekehrt' bestätigte."

Das Problem dürfte doch in den jeweiligen Vereinseitigungen bestehen. Ein Defizit des Faches besteht schließlich gerade darin, keine Methodik aufzuweisen (bzw. Stuart Halls Encoding-Decoding-Modell nicht weiterentwickelt zu haben), die in der Lage wäre, diese beide Perspektiven zusammen zu denken, und über die banale Diagnose von "Wechselwirkungen" hinaus zu kommen.

"Die Untersuchung der Medialität des Alltags, die der Kongress sich vorgenommen hatte, musste dadurch in Maases Augen einseitig bleiben. Aufrufe zur Kritik an oder gar zum Widerstand gegen die bestehende Medienlandschaft, so Maase, seien ohne Resonanz geblieben. In einer Disziplin, die, wie der Berliner Ethnologe (sic!) Wolfgang Kaschuba ausführte, ein rundes Drittel ihrer Absolventen im Mediensektor unterkommen sieht, ist wohl kaum zu erwarten, dass man diese Branche hart angeht."

Vermutlich sagt Platthaus etwas Richtiges, bloß mit der falschen Begründung. Die Tatsache, dass es in unseren Fächern inzwischen etwas unkritischer hergeht, hat aber sehr viel mehr mit einem gesamtgesellschaftlichen Klimawandel und mit der Unfähigkeit (oder sagen wir lieber dem Unwillen) - im Vergleich mit den Soziologen und Historikern zu tun so etwas wie eine sozialwissenschaftliche Basierung des Studiums vorzunehmen sowie der generellen Tendenz einer "Kulturalisierung des Sozialen". Dabei erscheint mir eine unkritische Haltung gegenüber Medien noch das geringere Problem.

"Maase sieht die Ursache in der Angst seiner Kollegen vor unerwünschter intellektueller Nachbarschaft zu fundamentalistischen Einstellungen oder zu 'Kulturpäpsten', denen man elitäres Denken unterstelle. Stattdessen betreibe man lieber 'Adorno-Bashing' und habe die auf die Frankfurter Schule zurückgehende Kulturkritik als 'identätsstiftenden Pappkameraden' schätzen gelernt. Dadurch sei das Fach als Ganzes auf die Kulturkämpfe von gestern fixiert und komme über die habituelle Unterstützung des 'Low' gegenüber dem 'High' nicht mehr hinaus."

Es wäre hierzu einiges anzumerken. Aber es ist vielleicht doch bezeichnend, dass es das FAZ-Feuilleton ist (wenn der Artikel auch auf der Medien-Seite veröffentlicht wurde und inzwischen auch die populäre Kultur sich einen Platz erkämpfen konnte, s.o. - die ideologischen Verhältnisse sind eben unübersichtlicher geworden), in dem die Forderung nach Kulturkritik wieder erhoben wird. In welcher Weise aber Kulturkritik nach wie vor und entgegen Kaspar Maases Feststellung artikuliert wird, wurde in der Sektion "ProdUser" ausführlich analysiert. Es ist eben nicht so, dass die populäre und insbesondere die populare Kultur inzwischen allgemein akzeptiert ist, wie der Blick auf das Internet (Wikipedia!) veranschaulichen würde. Insofern steht die Kritik der Kulturkritik nach wie vor auf der Tagesordnung und ist eben auch weit mehr als "Adorno-Bashing".

Dann wäre auch noch etwas zur vermeintlichen Abhilfe anzumerken:

"Den Sendern, folgert Maase, dürfe nicht jede Form von Populismus zugestanden werden, man müsse die soziologisch erwiesenen Zusammenhänge zwischen Mediennutzung und sozialen Defiziten zum Anlass nehmen, Zusammenhänge zu beschreiben, so dass man deren bloße Feststellung hinaus käme und Abhilfe schaffen könne."

Hier muss nun doch widersprochen werden. Soziologisch ist gar nichts erwiesen. Wenn Kriminologen wie Pfeiffer einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Medienkonsum und Schul(miss)erfolg behaupten, dann ist doch allemal unklar, ob das die entscheidende Ursache ist. Soziale Benachteiligung entsteht nicht durch zuviel Fernsehen und ist schon gar nicht mit einem Weniger an Fernsehen anzugehen. Es ist diese falsche Gesellschafts- und Kulturkritik, der wir unsere fachliche Expertise entgegenhalten können.
Und es ist eben ein mindestens genauso wichtiges Thema der volkskundlich-kulturwissenschaftlichen Medienforschung, die Diskurse und die Kulturkritik selbst zu analysieren. Und eine wirklich kritisches Position besteht darin, den Gewalt- und Defizit-Diskurs im Kontext einer umfassenden Gesellschafskritik zu kritisieren. Gewalt in den Medien ist eben nur ein Problem. Vielmehr ist zu fragen, warum die, die Bomben auf Belgrad werfen, warum diejenigen und die Gewalt zur Lösung von Konflikten progagieren, ein solches Interesse an der zurückgehenden Jugendgewalt und ihrer angeblichen Ursache im Konsum von Brutalo-Filmen oder Ballerspielen haben. Es geht dabei überhaupt nie um die der gesellschaftlichen Gewalt zugrunde liegenden Konzepte von Männlichkeit oder der durch und durch gewaltförmigen (staatlichen wie zivilgesellschaftlichen) Regelung von Konflikten (was ist das für eine friedliche Zivilgesellschaft die Hunderte von toten Flüchtlingen an den abgeschotteten EU-Grenzen als Kollateralschaden in Kauf nimmt?). Den Finger in diese Wunde zu legen, genau hier wäre das kritische Potenzial einer volkskundlichen Medienwissenschaft zu entfalten. Aber das ist natürlich nicht die Kritik, die die Medien von uns hören möchten.
Platthaus
In diesem Zusammenhang ist nochmals auf das Thema der Podiumsdiskussion einzugehen. Kurz zuvor konnten die KongressteilnehmerInnen in der Sektion "Medien – Öffentlichkeit – Geschlecht" einen bemerkenswerten Vortrag erleben. Almut Sülzle (Marburg) sprach nämlich in "Die Girlisierung des Fußballs ist misslungen" über Ihre Erfahrungen mit den Medien als Expertin über weiblich Fußballfans im Kontext der WM-Berichterstattung 2006. In beeindruckender Weise zeigte sie - was Wolfgang Kaschuba als "Ich verstehe, Sie brauchen O-Ton" bezeichnet hatte - in welcher Weise JournalistInnen versuchen, volkskundlich-kulturwissenschaftliches Wissen zu ver-nutzen, um ihren unerträglichen Arbeitsbedingungen zu entkommen. Selten wurde gezeigt, in welcher Weise der Diskurs sich der Wissenschaft bedienen möchte bzw. die Produktionsbedingungen die kritischen Inhalte letztlich in ihr Gegenteil zu verkehren wissen.

Dass ein immer größerer Teil von JournalistInnen eine solide akademische Ausbildung nach 1989 nicht mehr aufweisen kann und unfähig ist soziale Strukturen und kulturelle Kontexte zu unterscheiden bzw. überhaupt zu identifizieren, dürfte eine weitere Ursache hierfür sein. Wenn in unserem Fache Studierende sogleich ins Feld geschickt werden, ohne sie mit der narzisstischen Kränkung zu konfrontieren, dass ihre unmittelbare eigene Privat-Anschauung nichts mit Wissenschaft zu tun hat, dann liegt auch hier der Hund begraben. Und da wäre dann doch an Wolfgang Brückner zu erinnern, der zurecht feststellte, dass solides in unserem Fach immer dann zustande kam, wenn die RepräsentantInnen zugleich einer weitere Ausbildung in Fächern wie Geschichte oder Sprachwissenschaften aufweisen können.

Mit einem hatte Platthaus aber durchaus recht:

"Maases Thesen wurden im Plenum nicht diskutiert. Dem um das eigene Profil besorgte Fach hätten sie aber Möglichkeiten aufzeigen können, wie man sich an öffentlich sensibler und stark beachteter Stelle profiliert. Dabei wird die Volkskunde auf Kritik nicht verzichten können."

Es ist durchaus bemerkenswert, wie wenig während dem Kongress insgesamt diskutiert wurde. Nicht nur Kaspar Maases Vortrag, auch Manfred Faßlers Eröffnungsvortrag wurden nur auf den Gängen oder in den Blogs (kontrovers) diskutiert. Teilweise bezogen sich einzelne ReferentInnen auf die im Plenum vorgetragenen Thesen. Mitunter war es sogar verpönt harsche Kritik zu äußern, wenn wie in der Ratgeber-Sektion "Medienwirklichkeit und Lebenswirklichkeit. Gesundheit und Wohlergehen zwischen medialer Konstruktion und Alltagspraxis" (Panel 1) grundsätzliche Einwände erhoben wurden.

Den FAZ-Artikel für 2,00 EUR 24 Stunden anschauen

PS. Hier in diesem Blog darf diskutiert werden. Einfach und ohne großen Aufwand einen Account bei twoday.net besorgen und schon kann man "kommentieren" oder eigene Beiträge verfassen ..


Photos: http://gallery.bilder-buecher-bytes.de/
 

Graduiertenkolleg Mediale Historiographien: 11 Doktorandenstipendien + 1 x Post-Doc

11 Doktorandenstipendien sowie 1 Post-Doc-Stipendium (medien-,
geschichts-, literatur- und kulturwissenschaftliche Fächer) -
Universitäten Weimar, Erfurt und Jena, Weimar
http://www.academics.de/portal/action/av/show?adId=16100

Universitäten Weimar
Im Graduiertenkolleg Mediale Historiographien (Media of History -
History of Media) der Universitäten Weimar, Erfurt und Jena sind ab 1.Januar 2008

11 Doktorandenstipendien sowie 1 Post-Doc-Stipendium

an hochqualifizierte Absolventinnen aus medien-, geschichts-, literatur- und kulturwissenschaftlichen Fächern zu vergeben. Informationen zum Forschungsprogramm finden Sie unter www.mediale-historiographien.de.

Bitte senden Sie Ihre Bewerbung mit den üblichen Unterlagen (Exposé Ihres Arbeitsvorhabens von ca. 10 Seiten, Zeitplan, Lebenslauf, Zeugniskopien, ggf. Publikationsliste) per e-mail (word-/pdf-Dokumente)
an: E-Mail: info[at]mediale-historiographien[dot]de

http://www.mediale-historiographien.de

Bewerbungsschluss: 04.11.2007

Erschienen in DIE ZEIT
vom 27.09.2007

Klaus Schönberger: Technik als Querschnittsdimension & Weblogs in Frankreich und Dtl.

Kaum kommen die TeilnehmerInnen des dgv-Kongresses aus Mainz nach Hause, so finden die Mitglieder der dgv die neueste Ausgabe der Zeitschrift für Volkskunde in ihren Briefkästen. Darin ist auch ein Beitrag des Wissenschaftlichen Koordinators des Forschungskollegs Kulturwissenschaftliche Technikforschung veröffentlicht, der sowohl programmatisch als auch beispielhaft das Anliegen eines der größten Forschungsverbundes der Nachfolgedisziplinen der Volkskunde diskutiert:

Schönberger, Klaus: Technik als Querschnittsdimension Kulturwissenschaftliche Technikforschung am Beispiel von Weblog-Nutzung in Frankreich und Deutschland. In: Zeitschrift für Volkskunde 103 (2007) 2, S. 197-222.


"Die Bedeutung von Technik wird zwar universal, der soziokulturelle Wandel geht aber nicht im technischen Wandel auf, sondern die Technik unterstützt, ermöglicht oder verstärkt spezifische soziale Praxen und ihre soziokulturellen Praktiken in sehr unterschiedlicher Weise. Die Technik fungiert in diesem Sinne als Enabling-Potenzial und hat nicht eine Folge, sondern ermöglicht ganz unterschiedliches Handeln und damit auch differenziert zu betrachtende Formen des Wandels wie im Übrigen auch der Persistenz. Die technische Genese medienkultureller Artefakte, ihr sozio-technisches Potenzial im Alltag und der soziokulturelle Wandel sind in vielfacher Weise und nicht in unilinearer miteinander Weise verschränkt. Kulturwissenschaftliche Technikforschung untersucht daher Technikgenese und Techniknutzung im Sinne einer Querschnittsdimension. Insofern geht es also nicht darum, den volkskundlich-kulturwissenschaftlichen Kanon zu erweitern oder zu rekapitulieren, als vielmehr die Konsequenz daraus zu ziehen, in welcher Weise Technik in immer mehr Lebensbereichen omnipräsent ist und diese vom Zusammenspiel mit Technik geprägt werden. In diesem Sinne wird hier Technik als Querschnittsdimension verstanden und im Idealfall mittels dreier Perspektiven in eine multiperspektivische Kulturanalyse integriert.
(...)
Verschiedene Aspekte des Konzepts Kulturwissenschaftliche Technikforschung sollen im Folgendem am Beispiel der „Erscheinung“ des neuen Medienformates Weblog im Internet konkretisiert werden. Der Ausgangspunkt ist dabei die Frage, in welcher Weise die unterschiedlichen NutzerInnenzahlen und Nutzungsmuster von Weblogs in Frankreich und Deutschland erklärt werden können. Ausgehend von der Kritik der bisher vorliegenden kulturalistischen und technikdeterministischen Hypothesen, soll im Rahmen dieses Beitrags unter Zuhilfenahme des multiperspektivischen Ansatzes der Kulturwissenschaftlichen Technikforschung ein grundlegenderes Verständnis dieser Unterschiede diskutiert werden."


Zur Zeitschrift für Volkskunde

dgv-Kongress ist beendet (15)

Seit gestern nachmittag ist Kongress vorüber, die Hamburger TeilnehmerInnen sind wieder zuhause und auch wir wollen uns bei den Mainzern ganz herzlich bedanken. Sie haben für den nächsten Kongress die Maßzahl erhöht und wir sind gespannt wie es in Freiburg 2009 weitergehen wird. Wir sind auch auf den Kongressband und die schriftlichen Versionen der Vorträge gespannt und werden über den Fortgang an dieser Stelle berichten.
 

Bernhard Fuchs über Bollywoods "gendered emotion" (14)

In der von Elisabeth Timm (Wien) geleiteten Sektion "Medien – Öffentlichkeit – Geschlecht" startete Bernhard Fuchs (Wien) mit einem Vortrag "Gender in Motion? Zur öffentlichen Rezeption transnationaler Kultur am Beispiel des Bollywood-Kinos".

Fuchs
Ausgehend von der "Beschleunigung und Ausweitung transnationaler Ethnoscapes und Mediascapes (Appadurai)" lenkte er die Aufmerksamkeit auf "damit einhergehende Grenzüberschreitungen" bei denen "ethnische, kulturelle und mediale Ströme" keineswegs parallel und in einheitlichen Bahnen fließen.
Unter anderem fragte er danach, wie das deutschsprachige Publikum Bollywood rezipiere und auf dessen Geschlechterrollen-Klischees reagiere?
Er betonte, dass die patriarchalen Strukturen der Bollywood-Romanzen meist kritisch beurteilt würden, im Vordergrund stünde der Traum von der wahren, großen Liebe, welche über alle Widrigkeiten triumphiert. Gefragt nach dem Grund für die Beliebtheit Bollywoods in Deutschland erklärte der indische Star Shahrukh Khan in einem Interview, es sei für die Deutschen wohl so etwas wie ein Knopf zum Weinen. Primär ginge es demnach um ein emotionales Erlebnis. Schließlich fasste Bernhard Fuchs seine Ergebnisse in einem Wortspiel zusammen. Das im Titel formulierte "Gender in Motion?" wandelte sich zur Feststellung einer "Gendered Emotion".

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Forschungsnetzwerk Anthropologie des Medialen über "mediale Selbstbefähigkeit" (13)

Im Panel 6 des Mainzer dgv-Kongreeses stellte sich das "Forschungsnetzwerk Anthropologie des Medialen" (FAME) vor.
Die Einleitung nahm Katharina Kinder von der Universität Lancaster vor, die das Panel zugleich moderierte.

Claudius Terkowsky (Frankfurt/M.) spricht über "E-Learning by Design: Vom Entwerfen neuer universitärer Lern-Landschaften". So erfahren wir, dass an der Universität Frankfurt das Thema E-Learning eine vergleichsweise große Rolle spielt. Er entwickelt thesenhaft die Bedeutung von elearning im Kontext von Organisationen und betonte eine mitunter kulturrevolutionäre Beziehung zwischen institutionalisiertem Wissen und projektbezogenes Wissen im Internet. Er untersucht aber nicht nur die kulturellen Implikationen, sondern auch die mit E-Learning verbundene Ökonomisierung. Eine zentrale Aussage hinsichtlich der Veränderung von Lernkultur und dem Einfluss auf die Wissenskompetenzen von Lehrenden und Lernenden, lautete: Die mediale Lernfähigkeit sei prinzipiell offen und erschöpfe sich nicht in den bestehenden kulturellen Voraussetzungen.

Anschließend sprach Carsten Ochs über "Software-Lokalisierung in Lahore". Er stellt die grundsätzliche Frage, was passiert im Zuge des Computerisierungs-Prozessse der Gesellschaft eines sogenannten Entwicklungslandes in Hinblick auf die
- menschlichen Formen,
- nicht-menschlichen Formen sowie
- kulturelle "Programmatiken"
Bei ihm steht die empirische Feldphase noch aus und er sprach vor allem über seinen Forschungsplan. Das Verhältnis zwischen Medium und Mensch möchte er als wechselseitiges gefasst sehen. Er beabsichtigt dynamische Wechselwirkungen zwischen Menschen und Medien in den Mittelpunkt stellen und argumentiert wider einen Formzentrismus.
(Vgl. hierzu sein Forschungexposee auf der Fame-Netzwerk-Seite).
Eine seiner zentralen Frage lautet darüber hinaus: Was passiert mit der Technologie, wenn sie in ein anderes kulturelles Umfeld gelangt?

Zu Alexander Schwinghammer (Frankfurt) und dem Vortrag "Blick/Bild/Berichterstattung. Zu den Praktiken des Bildgebrauchs" vgl a. den Kongress-Blog:

"Der Theaterwissenschaftler Alexander Schwinghammer hingegen referierte zu den Praktiken des Bildgebrauchs in Kriegs- und Krisenzeiten. Am Beispiel des Ende 2003 erstmals in Berlin vorgeführten und als Verarbeitung des Irak-Kriegs bezeichneten Stücks “Bambiland” (Text: Elfriede Jellinek), erläuterte er die mediale Vermittlung von Kriegsgeschehen, die vorrangig mit Inszenierung - und damit mit einer temporären Verdichtung - arbeitet. Durch spezifische Auswahl, Organisation und Strukturierung von Materialien wird bei der Kriegsberichterstattung etwas zur Erscheinung gebracht, das sich seiner wahrnehmbaren Gegenständlichkeit entzieht und nur durch Medien zur Erscheinung kommt. Schwinghammer rückte das Transformationsgeschehen in den Mittelpunkt, indem er darauf hinwies, dass Reporter, dadurch, dass sie mediale Formate erhalten, erschaffen und weiterentwickeln, darauf abzielen, das Ungewöhnliche im Mittelpunkt der medialen Beobachtung zu platzieren. Projekte wie Bambiland würden daher zur Reflexion anregen. Denn sie belegen, welche Weltgeschehnisse als medial-kulturelle Attraktion hervorgebracht werden."

Julie Woletz (Frankfurt/Main) sprach über "Digitale Videostories: Mediale Selbstbefähigung oder 15 Minuten Ruhm"
Sie stellte im Kontext von "Web 2.0" oder "Mitmach_Internet" die Vorstellung der medialen Selbstbefähigung die der Andy-Warholschen Vorstellung von "15 Minuten Ruhm" gegenüber. Sie verortete das Digital Storytelling im Kontext des kulturellen Musters des Geschichtenerzählens. Dabei verwies sie auch darauf, in welcher Weise diese Formen und Ästhetik des Amateur-Erzählens auf die professionelle Mediendarstellung zurückwirke. In den Main-Stream-Medienformaten finde allerdings der Aspekt der Nutzerpartizipation eine vergleichbare Rückkoppelung. Sie berichtete, dass unter YouTube sich über 600.000 Filme finden ließen, die den Titel "Story" in sich trügen oder unter "Story" getaggt seien (So habe angesichts der Fülle von Filmen YouTube ein Kategoriensystem entwickeln müssen).
Sie konstatiert eine mediale Selbstbefähigung im Sinne einer produktiven Aneignung medientechnoloigscher Features und einer Weiterentwicklung ihrere Optionen, auch abseits öffentlicher Resonanz.
Sie diagnostiziert eine aktuelle Kulturtechnik des Geschichtenerzählens in den untersuchten Videostories. Dabei stehen Formen des Erzählens in in den klassischen Massenmedien den Formen des DigitalStorytellings gegenüber:
  • erweiterte Beteiligungsformen und Nutzerpartizipation im Internet
  • private Medienarcdhive und Geschichten als Selbstinszenierung (Mediatisierung es Privaten, "Authentischen"
  • Verlagerung der Inhalte zugunsten einer Inszenierung des Pirevaten allätglichen und Authentischen
Zugleich vermag sie bei diesem Genre oder Format keine Auflösung von Linearität in der Erzählung beobachten.

Unterdessen habe sich eine eigene Medienkultur herausgebildet.

Als letzter Referent in diesem Panel sprach Wolfgang Zeglovits (Wien) über "Praxis der Weblog-Software-Entwicklung. Fallstudien zu blogger.com und antville.org". Das Forschungsvorhaben dreht sich um das Entstehen von Weblogsoftware.
1. Theoretisches
W.Zeglovits geht von den Begriffen Produktion - Distribution - Konsumtion, die für ihn auf unterschiedliche Wissenskompetenzen
und nicht auf unterschiedliche Rollen verweisen. Sein zentraler Begriff lautet "Mediale Selbstbefähigung"

2. Methodisch:
Er will Keine reine Online-Ethnographie vorlegen.

3. Ziel
Es geht ihm auch darum zu zeigen, dass auch im Kontext von Social Software, Web 2.0 oder Open Source die martkförmigen Mechanismen der kapitalistischen Produktionsweise nicht ausser Kraft gesetzt wird, sondern, dass auch die Entwicklung von Weblog-Software diesem Rahmen nicht entkommen kann.

W. Zeglovits versuchte schließlich als letzter Sprecher das Verbindende der auf dem Kongress vertretenen Ansätze wie Kulturwissenschaftliche Technikforschung oder eben auch "Forschungsnetzwerk Anthropologie des Medialen" hervorzuheben. Ihm gehe es darum die vorhandenen Chancen etwas neues auszuprobieren, zu nutzen. Katharina Kinder hatte aber auch in ihrer Einleitung auf gegenseitige Bezüge aufmerksam gemacht. Und die Frage nach dem "Eigensinn" ermöglichte den ReferentInnen mit ihren doch sehr unterschiedlichen Themen bzw. Ansätzen nochmals die Schnittmengen praktisch auszuloten. Was der Einführungsvortrag des Kongresses - nach allem was zu hören war - offenbar nicht zu leisten vermochte, wurde hier im konkreten Handgemenge des Panels nun doch greifbarer. Das Bemühen wurde jedenfalls deutlich und das ist doch ein guter Anfang.

Stream: Abschlussdiskussion in Mainz (12)

MainzDie Abschlussdiskussion des Mainzer dgv-Kongresses "Bilder-Bücher-Bytes"
"Zum Umgang der Volkskunde mit Medien" heute nachmittag kann ab 15 Uhr live im Internet mit verfolgt werden (Erreichbar unter mms://windowsmedia.zdv.uni-mainz.de/bilder-buecher-bytes). Dies wird organisiert von den "Hard bloggin"-Mainzer VolkskundlerInnen.


Mainz3

Moderation: Andreas Platthaus (FAZ)
Diskussionsteilnehmer: Dr. Ute Bechdolf (Tübingen), Prof. Dr. Thomas Hengartner (Hamburg), Prof. Dr. Wolfgang Kaschuba (Berlin), Prof. Dr. Werner Mezger (Freiburg), Dr. Martina Schindelka (ZDF, Mainz)

Hier zum Bericht des Kongress-Blogs




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Was meint der Begriff ProdUser (11)?

Die Sektion 6 des Mainzer dgv-Kongresses war mit Begriff "ProdUse" überschrieben. Christoph Köck fragte in seinem Vortrag, ob das eine Erfindung der dgv sei. Dazu ist anzumerken, dass der Begriff keine Erfindung der dgv ist, sondern dem CATAC-Diskussionszusammenhang entstammt. Zugleich wird der Begriff in Abgrenzung zu Alvin Tofflers Prosumer verwendet.

Christoph Köck über das Web 2.0 (10)

In der Sektion "ProdUse" spricht Christoph Köck (München) über "Offliner und Onliner. Die kulturelle Fixierung des Web 2.0"

Sein Beitrag dreht sich um die Frage nach der Kompetenzbildung in ProduserZeiten des Internet. Ausgehend von einem historischen Rückblick auf die Gutenberg-Revolution thematisiert er unter Berufung auf Flusser die Krise der sogenannten Linearität, die mit gemeinhin mit der Erfindung des Buchdrucks verbunden wird. Mit dem Fernsehen sei schließlich ein Iconic Turn verbunden gewesen. Eine erste nichtlineare Erzählstruktur halte nun Einzug in die Wohnzimmer. Das Zappen mit der Fernbedienung bezeichnet er als "Surfen 1.0" und erfordert bereits Navigationskompetenz. Er sieht eine radikale Veränderung der Wahrnehmung, die die alltägliche Lebenswelt berühre. Der kognitive Wahrnehmungsmodus verändere sich von "Bottom up-" zum "Bottom down"-Prinzip (nämlich von linearen zu den vernetzt-intuitiven Denk- und Wahrnehmungs-Mustern, die er insbesondere der jüngeren Generation zuschreibt. Er sah das als Resultat ihres Umgangs mit dem Überall-Internet.
Zugleich konstatierte er eine quantitative (?) Bedeutungszunahme dieser Nutzungsweisen.
In diesem Zusammenhang stellte er nun die Frage: Was ist das Web 2.0?
Er sieht in der Auflösung der massenmedialen Einbahnstraße und ein "soziales Web" wie Christoph Köck die Veränderung bei den Many-to-Many-Beziehungen zusammenfasste.

Schließlich verortete er seine Überlegungen im Kontext seines Arbeitsfeldes beim Bayerischen Volkshochschul-Verbandes, der sich im Kontext vom empirischen Erhebungen über die Möglichkeiten der Unterstützung von Lernen durch digitale Medien fragt, welchen Stellenwert die neuen Informations- und Kommunikationstechniken im Bildungskonzept künftig einnehmen sollen. Insgesamt würde das Potenzial überaus hoch angesehen.

Im Zusammenhang einer solchen Orientierung würde allerdings neue
Drei Onliner-Kompetenzen seien relevant:

1. Navigationskompetenz (gegenüber linearer Wahrnehmungsweise). Etwa multioptionales und diskontinuierliches vernetzendes Handeln. Die Modelle des klassischen Lernens seíen demnach starker Veränderung ausgesetzt: Gedächtniskompetenz versus Navigationskompotenz

2. Die Kompetenz des Bildverstehens

3. Kommunikation in multiplen Situationen
Verlangt werde Multitasking - die Oberflächlichkeit erhält eine neue Bedeutung und Wertigkeit, ebenso die Bedeutungszunahme von persönlicher Darstellung und Selbstdarstellung oder Spiel mit den Identitäten.


Abschließend sprach er noch über die Offliner-Motive (natives versus immigrates) und deren
Vorbehalte (unter Bezug auf die ARD/ZDF-Onlinestudie)
1. Verlust sozialer Kontakte
2. Informationsflut
3. Zunehmende Fremdheit von Sprache und Begrifflichkeit
4. Angst vor Werbung
5. Angst vor Zeitverlust
6. Sicherheitsbedenken
7. Klassische Medien sind ausreichend.

Der Bezug auf die ARD/ZDF-Nutzertypologien, die stark an Modellen der Marktforschung orientiert ist, kann aber nicht wirklich überzeugen.

Insgesamt versuchte Christoph Köck die medialen Transformationen (Zeitung, Buch, Radio usw. werden neu erfunden, die klaren Abgrenzungen verschwinden) sowie der damit verbundene Wandel in den erforderlichen Medienkompetenzen, in einen größeren historischen Zusammenhang einzuordnen. Ob allerdings eine neue Bindestrich-Bezeichnung diesen Wandel tatsächlich angemessen zu charakterisieren vermag ("Teilhabegesellschaft") wäre dann doch zu hinterfragen. Er verwies auf Assmann, wonach ein kulturelles Gedächtnis mit dem Internet nicht mehr möglich sei und gleichermaßen die Kanonisieurng des Wissens in Frage stünde, ebenso die bekannten Formen von Identitätskonstruktion. Abschließend fragte er: "Was werden die Formate von ethnologischem Wissen sein?"

In der anschließenden Diskussion fragte Kaspar Maase, ob es wirklich so weit her ist mit dem behaupteten Wandel bei der Linearität des Lesens, und stellte demgegenüber die These auf, dass das Querlesen in fiktionalen Texten bereits in der Gutenberggalaxis nicht unbedeutend gewesen sei.

Darüber hinaus gab der Vortrag eine Reihe von interessanten Impulsen, die den einen oder anderen Widerspruch provozierten und erfüllte somit seine Funktion.

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Bloggen beim Kongress (9)

Nicht nur wir vom Forschungskolleg Kulturwissenschaftliche Technikforschung bloggen beim dgv-Kongress, auch die Mainzer OrganisatorInnen berichten zeitnah über die Vorträge beim Kongress.
 

Ove Sutter über das Dokumentarische Hörspiel der 1970er Jahre in der BRD (8)

Ove Sutter (Hamburg und demnächst Wien) referierte in der Magister-Sektion über das dokumentarische Hörspiel in den 1970er Jahren in der BRD. Möglichkeiten ethnographischer Repräsentation?.

Er verortete das Dokumentarische Hörspiel im Kontext der Sozialen Revolten der 60er Jahre. Ove Sutter beschreibt, in welcher Weise von den Hörspielautoren mit dem Originaltönen umgegangen wurde, und kontrastiert das mit dem volkskundlich-kulturwissenschaftlichen Herangehen und Darstellungsformen.

Einerseits finde sich im volkskundlich-kulturwissenschaftlichen Kontext die Einbindung von Intervieworiginalmaterial als Mittel im Forschungsbericht wieder, um dann die Wirkung zu diskutieren.

Ove Sutter wies darauf hin, in welcher Weise bestimmte Darstellungsprobleme im klassischen Forschungsbericht, in einer Darstellungsweise als Hörspiel produktiv aufgehoben werden könnten. Eine solche Vorgehensweise würde nämlich die Konstruiertheit unterstreichen und das der wissenschaftlichen Darstellung innewohnende fiktiven Moment sichtbarer machen, und aufzeigen, dass wir es in unserer Arbeit zugleich mit medialen Übersetzungsprozesse zu tun haben.

Viola Hofmanns Trachtenkunde der PolitikerInnen (6)

Viola Hofmann (Dortumund) spricht über "Das Kostüm der Macht
Das Erscheinungsbild von PolitikerInnen von 1949–2005
im Magazin "Der Spiegel" "
.
Sie geht von einem "bedeutender werdenden vestimentären Erscheinungsbild in der deutschen Politik".
Der Anzug präge inzwischen das Erscheinungsbild des Politikers und der Politikerin und repräsentiere ein bürgerliches Selbstbewußtsein.
Wobei die Kleiderinszenierungen nur über die Vermittlung der Medien wirksam würden. Sie interpretiert das Kleidungsverhalten als aufmerkamkeitsökonomisches Faktum. Allerding seien solche Auftritte überaus ambivalent, da sie mitunter auch negative zu Buche schlagen können.

Zum Blogeintrag des offiziellen Kongress-Blogs

Gefragt wurde in der Diskussion, ob es sich bei der Analyse um eine Auseinandersetzung zwischen Medien und PolitikerInnen, oder gebe es auch bei den MedienrezipientInnen die Forderung, dass sich PolitikerInnen auf eine bestimmte Weise kleiden müssten?

Es wurde schließlich kritisch angemerkt, dass bei allen drei Vorträgen es immer um das Wechselspiel zwischen Medien und Politik gehe, oder ob es nicht doch wieder auch um die RezipientInnen gehen müsse. Die Diskussion wurde dann allerdings schnell ins arbeitspragmatische Feld abgedrängt.
Die Frage ist schon, ob und inwiefern es für die volkskundliche kulturwissenschaftliche Medienforschung Sinn macht, sich auf die Medieninhaltlsanalyse zu beschränken. Aber es ist sicher richtig, dass es dieses Handwerkszeugs bedarf, damit auch die RezipientInnenanalyse vernünftig erfolgt.

Guido Fackler über dörfliche Ortsrufanlagen (5)

Guido Fackler (Würzburg), u.a. auch Associate des Forschungskollegs Kulturwissenschaftliche Technikforschung, spricht über "Ortsrufanlagen: Aurale Medialität und öffentlicher Raum". Sein Vortrag führt in die unmittelbare Nachkriegszeit und "die den bis dahin vielerorts noch tätigen Dorfboten ersetzten. In den 1950er Jahren wurden damit rund ein Drittel aller Gemeinden Badens ausgestattet."
Mainz
Er zeichnet den Weg vom "Distributions- zum Kommunikationsapparat" in Anlehnung an Bertolt Brechts Radiotheorie eines fest umrissenen öffentlichen Kommunikationsraumes nach. Hier findet die Mediennutzung im Freien statt. Es entsteht ein öffentlicher Klang-Raum.

Dieser technikgeschichtliche Zugang thematisiert die in der medienGeschichtsschreibung nicht vorkommenden Ortsrufanlagen al s zwar nicht emanzipatorisch, aber doch partizipatorischen Mediengebrauch im dörflichen Kontext.
Die akustische Öffentlichkeit der Medien kommt bisher in der Medienforschung kaum vor und ist unterbelichtet. Eine Ortssprechanlage prägt die akustische Landschaft einer Gemeinde Inwiefern das eher Soundscape oder Rundfunk ist.

In der Diskussion über die mögliche Rezeption dieser Anlage und ihre vermeintliche Antiquiertheit dann doch der Gedanke auf, inwiefern die berichteten Konflikte aber auch dargestellten Aneignungen nicht auch in ihrer Funktion zur Wieder-Erfindung des Dörflichen gelesen werden können.

Photo: http://gallery.bilder-buecher-bytes.de/

Alexandra Kaiser über den Widerspruch von Diskurs und Ritual (4)

Alexandra Kaiser (Tübingen) sprach über "Rituelles Gedenken und/in Massenmedien am Beispiel des Volkstrauertags". Sie ist wissenschaftliche Angestellte am Sonderforschungsbereich 437 "Kriegserfahrungen" an der Universität Tübingen. Ihre Thema ist eine "doppelte Medialität" des Volkstrauertags und gilt ihr als entscheidende Voraussetzung für die "Erfolgsgeschichte" des Gedenktags thematisiert werden.

Ihr geht es dabei nicht um eine Rezeptionsuntersuchung der Volkstrauertage, sondern im Mittelpunkt steht das kritische Anliegen, den Widerspruch von Diskurs (beispielsweise des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge), der besagt, es werde allen Opfern gedacht und dem den Feierstunden zugrundeliegende Gedenkritual.

Kaspar Maase über Kulturkritik, Ohnmacht und Selbstverständnis des Faches (3)

Kaspar Maases (Tübingen) Plenarvortrag "In der Falle? Über Kulturkritik, Ohnmacht und Selbst-Verständnis volkskundlich-kulturwissenschaftlicher Medienforschung" drehte sich über die Wandlungen des Faches und dem Fremdwerden der eigenen Annäherung an das Kongressthema.


Maase
Ausgehend von einer Kulturkritik, wie sie noch in den 70er Jahren im Fach vertreten wurden, die ganz offensichtlich von einer kulturkritischen Position ausging will er seine Irritation über das Abhandenkommen der Kulturkritik zu bilanzieren.

Er berichtete über jenen demokratischen Impetus einer volkskundlich-kulturwissenschaftlichen Medienkritik, die mit einer großen Selbstverständlichkeit zu wissen dachte, was die Mehrheit der Bevölkerung denken und sehen möchte bzw. was deren eigentlichen Interessen sein würden.

Einerseits irritierte ihn dieser Impetus, andererseits ist der Ausgangspunkt seiner Positionierung, dass heutzutage in der Forschung eine kritische Distanz kaum mehr einen Stellenwert zukommen würde und allenfalls nur noch als Privatmeinung vorkäme.

Die Ursache sei in einem Paradigmenwechsel des Faches begründet.
"Wir sitzen in einer professionellen Falle". Sein Anliegen ist ein Wiedereinstieg in die Medienkritik.

1. Paradigmenwechsel.
Die Ursache für diese professionelle Falle verortet er in jenem Paradigmenwechsel den der mit Carola Lipps Analyse zur Hinwendung einer subjektzentrierten Fragestellung bzw. Klara Löfflers Diagnose der fachlichen Nahe zum Subjekt oder der Subjektorientierung begründet. Der hier seit den 70er Jahren vollzogene Subjekt- und Akteursorientierung sei zum "Dreh- und Angelpunkt des Fachverständnisses" erwachsen.
In diesem Zusammenhang führt er als verstärkendes Merkmal das (vermeintliche) Alleinstellungsmerkmal des Faches an, die ethnographische Methode, als zentrale Erhebungsmethode.
Seit den 1980er Jahre habe sich schließlich ein Slogan als Selbstverständnis kulturwissenschaftlicher Medienforschung herauskristallisiert. Der Slogan "Die anderen untersuchen was die Medien mit den Menschen machen, wir untersuchen was der Mensch mit den Medien macht". Das verspreche mehr als gehalten werde.
Beispielsweise werde einer der populären bzw. sogoar popularen Medienkritik ausgewichen. Zu dieser Unterscheidung vgl (Warneken).
Konkret meinte er jene populäre bzw. populare Version der Medienkritik. die er im Kontext der Erklärungsmodelle für Gewaltausbrüche als hegemonial ansieht. Aber hier fremdele die Alltagsforschung und mache einen großen Bogen um dieses Feld.

Er fragte warum die populäre/populare Medienkritik im Kontext von moderner Massenkultur, nämlich, dass soviele Menschen die beobachtbare gesellschaftliche Gewalt im Zusammenhang von medialer Gewalt sehen würde. Warum ist es im Fach kein Thema, dass sich viele Leute herausgefordert fühlen von dem Medienangebot? Da man einer solchen Diagnose skeptisch gegenüberstände, würde man darum einen großen Bogen machen.
So sei man skeptisch gegen jede Wendung, wenn sie nur nach Kulturkritik rieche. Demgegenüber findet er Kulturkkritik als zentral und unverzichtbar für das Fach an. Kaspar Maase erachtet das Fehlen einer ethnographischen Kulturkritik als problematisch und suchte in der fachspezifische Perspektive nach den Gründen für das Fehlen von Kulturkritik. In Anlehnung an Martin Scharfe sieht er eine Falle darin, dass es die Volkskunde mit dem Positiven habe.

Worauf er allerdings nicht einging, war wo denn der normative Ort sei, von dem aus die Kulturkritik zu erfolgen habe.

Ferner kritisierte er eine vielfach beobachtbare Einstellung als Verteidiger der Popularkultur. "Wer muss denn noch verteidigt werden? Wo werde denn heute noch abgewertet?"

2. "Was tun?" (Lenin?)
Ausgehend von Rortys Sichtweise auf die Bedeutung einer konstruktivistischen Perspektive für die Frage nach Parteilichkeit machte er Vorschläge für eine kritische Kompetenzerweiteurng des Themenspektrums des Faches:
  • a. Es gelte künftig dickere Bretter zu bohren, in dem man Praktiken und Diskurse der populären Medienkritik in den Blick nehme.
  • b. Ethnographie der Medienproduktion
  • c. Psychologische, Neurobiologische Medienforschung müsse zur Kenntnis genommen werden.
    Es genüge nicht nur Pfeiffer, Spitzer oder Kuncik zu bezweifeln. Vielmehr müsse man sich mit diesen Positionen auseinanderzusetzen
  • d. Als vielversprechendsten Ankerpunkt nannte er die Empirische Bildungtheorie (Anwendungspotenzial) etwa im Stile eines Roland Reichenbach
Kaspar Maase versuchte in seinem Vortrag zu provozieren. Dabei gibt es sicherlich einiges Bedenkenswertes. Es bleibt aber einiges auch fraglich:
Etwa in Bezug auf die Legitimität von Mediennutzung, wo im Kontext von Internet ganz andere Befunde zu haben sind als im Bereich von Fernsehen. Auseinandersetzungen über die legitime Nutzung des Internet ergeben hier doch ein anderes Bild.

Auch die Notwendigkeit von Kulturkritik wäre nochmals auf die Geschichte dieser Debatte zu fragen. Ein bisschen erinnert eine solche Auseinandersetzung an die Debatte aus den 70er Jahren über die Notwendigkeit eines normativen Kulturbegriffs vor dem Hintergrund der beginnenden Auseinandersetzung um den weiten Kulturbegriff. Vielleicht könnte man auch von der Debatte in den Cultural Studies (Populismusvorwurf an John Fiske) lernen und die Frage nach der Gewalt in Computerspielen nicht darauf reduzieren, ob Computerspiele gewalttätig macht, sondern als Gegenstand des Faches auch jene Perspektive einnimmt, die fragt, welche Funktion solche Debatten haben. Nämlich die Metaebene der Kritik der Kulturkritik und eben auch sagt, dass die Kritik an Computerspielen etwa verdeckt, dass wir es hier mit Männlichkeitskonzepten zu tun haben und warum die nicht in der Kritik stehen.

Photo: http://gallery.bilder-buecher-bytes.de/

Ina Merkels Schlussthese (2)

Ina Merkel (Marburg) formulierte am Ende ihres Plenarvortrages ("Populäre Spielfilme als Quelle für eine Kultur- und Alltagsgeschichte der DDR") die interessante Hypothese in Bezug auf die DDR-Spielfilme. Nämlich inwieweit die von ihr analysierten DEFA-Filme eine Art (Paralell-Welt, den Begriff hat sie nicht verwendet) dargestellt hat, in der ansonsten nicht offen führbare gesellschaftliche Auseinandersetzungen, repräsentiert waren. Insofern ließe sich darüber das Bild der DDR als homogene Gesellschaft auflösen. Vgl. Kongressblog

dgv-Kongress hat begonnen (1)

Gestern abend hat der 36.dgv-Kongress in Mainz bekommen. Unter dem Titel "Bilder - Bücher - Bytes" findet nach über drei Jahrzehnten ein dgv-Kongress zum Thema Medien statt.

Mit über 550 Anmeldungen übertrifft der Kongress die Erwartungen der Veranstaltungen (zum Vergleich: In Dresden 2005 wurden 450 TeilnehmerInnen gezählt").

Mit dem gestrigen Eröffnungsvortrag von Manfred Fassler (Frankfurt) nahm nach wochenlanger Vorbereitung der Kongress seine Arbeit auf.

Eine Kurzzusammenfassung bietet das Kongressblog der lokalen OrganisatorInnen:

"Prof. Faßler diskutierte in seinem Eröffnungsvortrag des Kongresses die Bedingungen alltäglicher Medialität. Dabei plädierte er für einen Medienbegriff, der über technische Geräte und ihre Daten hinaus geht und die imaginative Kraft der Menschen integriert. Denn Medialität erzeuge „erfundene Zusatzwelten“ für die Menschen, „Informationen sind die Lebensmittel des Gehirns“, betonte dazu der Frankfurter Kulturanthropologe."


Weiterlesen

Die Reaktionen fielen widersprüchlich aus.

Angesichts der evolutionsbiologistischen Terminologie wurde gefragt wo denn nun für das Fach der Gewinn liegen würde, und wie da anzudocken wäre, sprich wie das anschlussfähig sein könnte.

immerhin ist es schon interessant, wenn im Fach ein Konsens darüber erzielt wird, dass der Mensch der Akteur und Bezugspunkt ist und die Technik der Ausgangspunkt ist. Das konnte man schon auch mal anders hören.

Und ein systemtheoretischer Impetus legt das nicht unbedingt nahe.

Man kann gespannt sein, wie die Konkretion der vorgetragenen Programmatik in Form des Panels des "Forschungsnetzwerk Anthropologie des Medialen" am Mittwoch (Panel 6) ausfallen wird.
 

Countdown für Mainz läuft ... 10, 9, 8, 7, 6, 5, 4 .... noch drei Tage bis zum Kongressbeginn

Nächste Woche wird das Hamburger Institut für Volkskunde ziemlich ausgestorben sein. Nahezu alle KollegInnen werden beim Mainzer dgv-Kongress sein, ein großer Teil auch referieren und moderieren.

Wer nicht selbst hinfahren kann, der hat zwei Möglichkeiten sich über das Gebotene zeitnah zu informieren:
    1. Einige KollegInnen des Technikkollegs werden in diesem Blog live bloggen.
    2. Ausserdem bieten auch die Kongress-OrganisatorInnen die Möglichkeit des Livebloggens auf ihren Seiten an.
Technisch ist der Kongress auf der Höhe der Zeit. Die Frage wird sein, ob er auch inhaltlich nachlegen kann oder ob es nicht so sein wird, dass die ReferentInnen erneut das abliefern werden, was sie sowieso machen, und allenfalls begrifflich etwas nachgeholfen haben. Wir dürfen gespannt sein, ob sich die Nachfolgedisziplinen der Volkskunde noch immer "diesseits der Medien" (Hermann Bausinger) bewegen oder ob auch Ansätze aufscheinen, die deutlich machen, wo die Unterschiede zu den Medienwissenschaften liegen.
 

ZVAB-Blog

Was mir bisher entgangen war und möglichweise für den ein oder anderen interessant sein könnte: Auch das Zentrale Verzeichnis Antiquarischer Bücher unterhält ein Blog.
 

Bankraub-Ausstellungs-Eröffnung in Schleswig

Aus dem Vabanque-Blog ("Where the money is - Zur Volkskunde des Bankraubs") lässt sich in Erfahrung bringen, dass Klaus Schönberger, Wissenschaftlicher Koordinator des Forschungskollegs Kulturwissenschaftliche Technikforschung, am 7.10. 2007 im Schleswiger Volkskundemuseums (gemeinsam mit Staatssekretär Ulrich Lorenz vom schleswig-holsteinisichen Innenministerium) die Sonderausstellung "Die Banklady. Würden Sie bitte alles Geld einpacken?" eröffnen.

Das Titel seines Eröffnungsvortrages lautet:
"Jeder will doch Geld haben ...
Volkskundliche Anmerkungen zur Geschichte und Gegenwart des Bankraubs in der Praxis und der populären Kultur"
, ein Thema das durchaus auch auf dem Mainzer dgv-Kongress gepasst hätte, da die populäre Kultur eine nicht unwesentliche Rolle für die zahlreichen Indifferenzen und Symphatihien gegenüber diesem Delikt spielt. Um Technik geht es dabei auch in vielerlei Hinsicht: Waffen, Autos, Sicherheitsvorkehrungen usw.
 

ARD-/ZDF-Onlinestudie online

Alle Jahre wieder liefert die Medienforschungsabteilung bei ARD und ZDF ihre Ergebnisse ab. Hier finden sich wichtige Daten für unsere Arbeit. Insbesondere zu Weblogs, Computerspielen aber eben auch die "Silver Surfer". Es folgt die Orginalpressemitteilung:

ARD/ZDF-Online-Studie 2007
Mehr als 40 Millionen Deutsche im Netz
Zunehmendes Interesse an Videos und Audiodateien


Neuer Rekord bei der Internetverbreitung in Deutschland: Erstmals wurde 2007 die 40 Millionen-Grenze für die Internet-Nutzung durchbrochen. Mit einem Zuwachs gegenüber dem Vorjahr von 2,2 Millionen "neuen" Anwendern haben aktuell 40,8 Millionen Deutsche ab 14 Jahre Zugang zur Internet-Welt. Damit stieg der Anteil der Internet-Nutzer in Deutschland im Zeitraum 1997 bis 2007 von 6,5 Prozent auf 62,7 Prozent. Zu diesen Ergebnissen kommt die seit 1997 jährlich durchgeführte ARD/ZDF-Online-Studie 2007. Innerhalb dieser bundesweiten Repräsentativstudie wurden im April dieses Jahres 1820 Erwachsene in Deutschland befragt.

Die Zuwachsraten gehen vor allem von den Frauen und den Über-50-Jährigen aus – Personen, die noch vor wenigen Jahren dem Internet distanziert gegenüberstanden. 1,6 Millionen Frauen fanden zwischen 2006 und 2007 neu ins Netz. Damit sind 57 Prozent der weiblichen Bevölkerung online (2006: 52,4 Prozent). Von den 50- bis 59-Jährigen nutzen mittlerweile 64,2 Prozent das Internet (2006: 60 Prozent), von den Über-60-Jährigen 25,1 Prozent (2006: 20,3 Prozent). Mit 5,1 Millionen Über-60-Jährigen sind erstmals mehr "Silver Surfer" im Netz als 14- bis 19-Jährige (4,9 Millionen).

Zunehmend attraktiv sind Videos und Audiodateien im Netz. 16 Prozent der Onliner schauen sich via Internet mindestens einmal wöchentlich bewegte Bilder online an. Dies sind fast doppelt so viele wie 2006. Triebfeder dieser Entwicklung sind die Videoportale, die fast jeder dritte Onliner bereits genutzt hat. 21 Prozent aller Internetnutzer rufen wöchentlich Audiodateien auf, wobei das Radiohören im Netz (elf Prozent) besonders beliebt ist. Die zunehmende Nutzung von multimedialen Anwendungen hängt eng mit der Verbindungstechnik zusammen. Mittlerweile verfügen 59 Prozent der Onlinenutzer über einen DSL/Breitband-Anschluss, der den komfortablen Abruf datenintensiver Angebote ermöglicht. Im Vorjahr nutzten 48 Prozent einen DSL-Anschluss.



 

Schröder: Technik als biographische Erfahrung --- Inhaltsübersicht

Vor kurzem erschien der erste Band der Schriftenreihe des Forschungskollegs Kulturwissenschaftliche Technikforschung (Hans Joachim Schröder: Technik als biographische Erfahrung 1930-2000. Dokumentation und Analyse lebensgeschichtlicher Interviews). Er wurde in diesem Weblog bereits kurz - durch Bild und Klappentext - vorgestellt (http://technikforschung.twoday.net/stories/4091632).
Ergänzend sei an dieser Stelle das Inhaltsverzeichnis des Bandes präsentiert, das weiteren Aufschluss über Aufbau und Inhalt der Arbeit liefert:


Einleitung ... 7

Teil A
Technikerfahrung mit Schwerpunkten in der fernen Gegenwart

1 Technikbiographie einer Buchhändlerin (Jahrgang 1928) ... 33
2 Technik als Gewalterfahrung im Zweiten Weltkrieg ... 71
3 Technikbiographie eines Dokumentarfilmers (Jahrgang 1930) ... 109
4 Entwicklungen und Diskrepanzen: »alte« versus »neue« Technik ... 149

Teil B
Technikerfahrung mit Schwerpunkten im alltäglichen »Nahbereich« (jüngere und jüngste Gegenwart)

5 Technikbiographie einer Haushaltshilfe (Jahrgang 1939) ... 185
6 Lern- und Anwendungssituationen I: Umgang mit mobiler Technik ... 223
7 Technikbiographie eines Ingenieurs der Verfahrenstechnik (Jahrgang 1955) ... 257
8 Lern- und Anwendungssituationen II: Umgang mit Computertechnik ... 299
9 Technikbiographie einer Bankangestellten (Jahrgang 1959) ... 339
10 Aspekte physischen Erlebens I: Umgang mit medizinischer Technik ... 373
11 Technikbiographie eines Organisationsprogrammierers (Jahrgang 1964) ... 407
12 Aspekte physischen Erlebens II: Unfälle und Fast-Unfälle im Umgang mit mobiler Technik ... 441

Teil C
Technikerfahrung mit Schwerpunkten im Blick auf »Fernbereiche« und Abstraktionen

13 Technikbiographie einer Abiturientin (Jahrgang 1980) ... 475
14 Überlegungen und Ansichten zur allgemeinen (globalen) Technikentwicklung ... 511
15 Technikbiographie eines Abiturienten (Jahrgang 1982) ... 547
16 Spontan gelieferte, subjektive Technikdefinitionen ... 579

Zusammenfassende Schlussbemerkungen
... 611

Literaturverzeichnis ... 629

Register ... 656


Beim Verlag Chronos in Zürich ist das Buch unter
http://chronos-verlag.ch/php/book_latest-new.php?book=
978-3-0340-0809-9&type=Kurztext&access=Vorschau

zu finden und ggf. zu bestellen.

Thomas Hengartner: Über Schreib-, Sprech- und Denkmaschinen.

Nachzutragen ist noch ein Vortrag des Leiters des Forschungskollegs aus dem August:
In der Reihe "Nachgedacht - Geisteswissenschaften in Hamburg" sprach Thomas Hengartner, Professor am Institut für Volkskunde der Universität Hamburg, um 19 Uhr in der "Spiegel"-Kantine (Brandstwiete 19) über "Schreib-, Sprech- und Denkmaschinen. Zum Verhältnis von Mensch, Kultur und Technik."

"Kultur ist technomorph. D.h. Mensch und Technik stehen sich nicht mehr gegenüber, sondern Technisches ist fester Bestandteil unseres Alltags und von Wissens-, Handlungs- und Orientierungssystemen.

Kulturwissenschaftliche Technikforschung widmet sich der Frage, wie (auf welchen Wegen und mit welchen Konsequenzen), aber auch, wie sehr sich Technik in Kultur, Gesellschaft und den Menschen eingeschrieben hat. Sie erfolgt unter zwei zentralen Perspektiven: sie geht einerseits von den technischen Objekten und dem direkten Umgang von Menschen mit sog. technischen Artefakten aus. Andererseits fragt kulturwissenschaftliche Technikforschung notwendigerweise immer auch nach dem "Sitz der Technik im Leben". Ziel dieses Vorgehens ist die Analyse des offenen oder verdeckten, bewussten oder meist unbemerkten Einflusses von Technischem auf die Art und Weise der Lebensgestaltung. "

Szenarien der Zukunft: Technikvisionen und Gesellschaftsentwürfe im Zeitalter globaler Risiken

Es sei auf die Ankündigung der interdisziplinären Tagung "Szenarien der Zukunft: Technikvisionen und Gesellschaftsentwürfe im Zeitalter globaler Risiken" verwiesen.

Die Tagung findet am 18./19. Oktober 2007 an der RWTH Aachen statt. Sie wird vom Interdisziplinären Forum Technik und Gesellschaft, einer Querschnittseinrichtung aller Fachbereiche der Aachener Universität, veranstaltet und richtet sich insbesondere an Wissenschafter, Experten und Nachwuchskräfte aus universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen, Unternehmen und öffentlichen Institutionen.

Zum Programm der Tagung

Aus der Ankündigung:

Die Tagung „Szenarien der Zukunft“ setzt die 1986 etablierte Reihe der Inter­disziplinären Hochschulkolloquien des Forums Technik und Gesellschaft fort. Diese Reihe ist eine innerhalb und außerhalb der Hochschule viel beachtete Plattform für die Diskussion globaler und gesellschaftlicher Themen, die sich aus der Entwicklung und dem Einsatz moderner Technologien ergeben. Nachdem in den vergangenen Jahren die Themen „künstlicher Mensch“ (2000), „Globalisierung“ (2002) und „digitale Spaltung“ (2004) behandelt wurden, steht nun die Wechselwirkung von Technikvisionen und Gesellschaftsutopien im Mittelpunkt.

Die Tagung verfolgt mit dieser Themenwahl drei Ziele:

a) Sie fragt nach der Rolle von Wissenschaft und Technik in den Zukunfts­entwür­fen und Utopien der Moderne sowie umgekehrt nach der Bedeutung von Utopien für die Entwicklung der wissenschaftlich-technischen Zivilisation.

b) Sie bezieht das Verhältnis von Technikvisionen und Gesellschaftsentwürfen auf konkrete Zukunftstechnologien wie Life Sciences, Informations- und Kommuni­kationstechnologien und den Städtebau.

c) Sie setzt die behandelten Technologien und Technikvisionen zu den globalen Risiken des 21. Jahr­hun­derts in Beziehung und zeigt Möglichkeiten auf, diese für nach­haltige Lösungsstrategien nutzbar zu machen.

Nach einem Eröffnungsvortrag des Generalsekretärs des Club of Rome Uwe Möller werden zunächst aus kulturwissen­schaft­licher Sicht die Wechselwirkungen von Technikvisionen und Zukunftsentwürfen umrissen. In drei aufeinander folgenden Sektionen werden Natur-, Kultur- und Ingenieurwissenschaftler Technikvisionen für die genannten Technologiebereiche diskutieren. Als gemein­samer Leitgedanke jeder dieser Sektionen wird der Bezug zum globalen Problem­horizont hergestellt. Eine mit Zukunftsforschern und Foresight-Experten internationaler Organisationen besetzte Abschlusssektion sowie ein Abschlussvortrag von Franz-Josef Radermacher werden diese Leitfrage aufgreifen und Schlussfolgerungen für Akteure im Span­nungs­feld von Wissenschaft, Technik und Gesellschaft ziehen.


Anmerkung:
Hier wäre durchaus darüber zu streiten was "aus kulturwissenschaftlicher Sicht" meint. Es hat den Anschein: Geliftete Geisteswissenschaften? Und zwei Fragen stellen sich erneut:
Welche Technikgeschichte und wo sind hier die NutzerInnen?
Ein Weblog mit Informationen und Meinungen rund um Fragen der Kulturwissenschaftlichen Technikforschung

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Deutungsmuster und Erzählstrategien bei der Bewältigung beruflicher Krisenerfahrungen In: Seifert, Manfred/Götz, Irene/Huber, Birgit (Hg.): Flexible Biographien. Horizonte und Brüche im Arbeitsleben der Gegenwart. Frankfurt u. a. 2007, S. 167-184.








Anika Keinz, Klaus Schönberger und Vera Wolff (Hrsg.)
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